Dietharts plötzlicher Ruhm: „Was war da los?“

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Thomas Diethart muss den Tourneesieg erst realisieren und teilt das Preisgeld mit seiner Familie. Der 21-Jährige kann bei Olympia eine Medaille gewinnen, sagt Cheftrainer Pointner.

Bischofshofen/Wien. So besonnen und ruhig Thomas Diethart auch zum Erfolg bei der Vierschanzentournee abgehoben hatte – als der Triumph nach Sprüngen auf 138,5 und 140 Meter feststand, gab es für seinen Vater kein Halten mehr. Der Polizist sprang in Bischofshofen über die Abzäunung, lief zu seinem Sohn und stieß bei der Umarmung Freudenschreie aus. „Papa geht's schlechter als mir, er muss sich wieder beruhigen“, sagte Österreichs fünfter Tourneesieger in Serie später. Auch er selbst brauche eine Nachdenkpause, das normale Leben warte. „Ich muss realisieren, was da eigentlich los gewesen ist.“



Los war in Bischofshofen einiges. Tränen flossen, Fahnen wurden geschwenkt, und 23.000 Zuschauer stimmten Gassenhauer wie „I am from Austria“ an. Dietharts Überraschungssieg ist für viele, selbst seine Teamkollegen, mehr als nur ein Wintermärchen. Für seine Familie war dieser gewaltige Heimsieg die Bestätigung, auf die sie so lange hingearbeitet hatte.

Nur große Sportler, ob Neuankömmling oder Veteran, gewinnen vor eigenem Publikum, obendrein so souverän. Olympia, ab 7. Februar in Sotschi, ist zweifelsohne auch ein Großereignis, aber vor weitaus anderer Kulisse, mit ganz anderen „Nebengeräuschen“. Wer solche Strapazen durchlebt hat wie Thomas Diethart – etwa 200 Kilometer Anreise zum Training, Nächtigungen im Auto, Schulwechsel, Lehre etc. –, um parallel zum System an die Spitze zu kommen, scheint bestens abgehärtet und vorbereitet.

Das Team der Tourneesieger

Auf sportlicher Ebene müssen für Diethart, der nach Siegen in Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck Sechster im Gesamtweltcup ist, nun neue Ziele gesteckt werden. Ob er ab Freitag am Kulm abheben und seine Skiflugpremiere feiern wird, soll erst heute entschieden werden. Dass der Springerzirkus aber wisse, sagt Cheftrainer Alexander Pointner, wer Diethart eigentlich sei und wie gut er springen könne, bedurfte keiner weiteren Erklärung. Auch dass er, trotz aller Dementi, Fixstarter in Sotschi ist, ist kein Geheimnis mehr. Pointner, 43, ließ sich zu einem Satz hinreißen: „Wer die Tournee gewinnt, ist auch bei Olympia für eine Medaille gut.“

Fünf Adler sind bei Olympia startberechtigt. Das „Team der Tourneesieger“ mit Schlierenzauer, Morgenstern, Diethart, Loitzl und Kofler stellt sich trotz mancher Formtiefs von selbst auf.

Gefahr: Geld und Ruhm

Für Diethart bleibt die Familie das höchste Gut. „Selbstverständlich“ werde er einen Teil des Preisgeldes (47.800 Euro) seinem Vater überweisen. Immerhin hat er ihm mit einem Kredit den Start ermöglicht. Den Rest wolle er seiner Schwester („Sie kam oft zu kurz“) geben und anlegen, für die Zukunft.

Das klingt bescheiden für einen, der so kometenhaft in der Weltspitze gelandet ist. Doch der 21-Jährige verlor im größten Augenblick seiner jungen Karriere – er ist erst seit Dezember im ÖSV-Team – nicht die Ruhe. Seine Bodenständigkeit ist weder gespielt noch PR-tauglich verordnet, der Niederösterreicher „tickt“ wirklich so. Der Tourneesieger ist der brave Nachbarssohn von nebenan. Der ÖSV und Pointner wären gut beraten, ihm diese „heile Welt“ zu bewahren. Diethart wäre nicht der erste Jungstar, dem der Erfolg zu Kopf gestiegen ist und dessen Charakter sich durch Geld und Ruhm verändert hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2014)

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