Wengen-Abfahrt: Heimsieg auf dem Lauberhorn

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SWITZERLAND ALPINE SKIING WORLD CUP(c) APA/EPA/PETER SCHNEIDER (PETER SCHNEIDER)
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Hundertstel-Krimi: Der Schweizer Patrick Küng gewann den verkürzten Abfahrtsklassiker von Wengen vor dem Österreicher Hannes Reichelt.

Das Schweizer Herrenteam kommt mit einem umjubelten Heimsieg nach Kitzbühel, wer am Lauberhorn triumphiert, der gilt auch auf der Streif als heißes Eisen. Der Abfahrtsklassiker von Wengen musste zwar verkürzt werden, weil starker Wind ein Rennen vom Originalstart unmöglich machte, aber der Kampf um jede Hundertstelsekunde war auch auch ab der Minschkante nicht ohne. Die Strecke präsentierte sich als einzige Herausforderung, in der Originallänge hätte sie für noch brennendere Oberschenkel gesorgt. Letztlich wurde es ein Hundertstel-Krimi - mit einem Happy End für Patrick Küng. Der 30-jährige Schweizer feierte seinen ersten Weltcupsieg in der Abfahrt, vor Weihnachten hat er den Super G von Beaver Creek für sich entschieden.

Patrick Küng gilt als Spätstarter, was den Glarner allerdings nicht so sehr überrascht. „Ich bin reifer geworden", sagt er. Und schließlich habe auch ein Didier Cuche seine größten Erfolge erst im vermeintlichen Herbst ihrer Karriere gefeiert. Ob er sich nun vielleicht sogar als Mitfavorit für Olympia sieht? „Moment", wiegelt er ab. „Jetzt kommt einmal Kitzbühel." Klingt ganz so, als ob Küng auf den Geschmack gekommen wäre.

In der Schweiz hatten viele Küng bereits abgeschrieben, weil er immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen wurde. Der Aufstieg in die nationale Ski-Elite der Eidgenossen erfolgte rasant, dann stellten sich erste Erfolge im Europacup ein. Dem Durchbruch im Weltcup kam jedoch eine schwere Knieverletzung 2006 zuvor. Sie hat ihn zwei Jahre gekostet. Aus dem einstigen Techniker wurde später ein Speed-Spezialist, mit 25 konnte er denn endlich im Weltcup starten.

In der Saison 2010/11 holte Patrick Küng seine ersten Podestplätze, dann folgte der nächste Rückschlag. Im Februar 2012 erlitt der Schweizer einen Kreuzbandriss, die Rückkehr gestaltete sich mühsam. Der Schweizer Verband bangte, ein weiteres Talent zu verlieren. Küng zog sich zurück, die sportliche Ungewissheit blieb. Aber er schaffte es erneut, bei der WM in Schladming 2013 wurde er immerhin Siebenter. Der Anschluss zur Weltspitze war geschafft.

In Wengen schlug Patrick Küng vor 29.000 Ski-Fans nun die große Stunde. „Es gibt einfach nichts schöneres als einen Heimsieg", freute sich der 30-Jährige. Riesiger Jubel herrschte natürlich auch in der rot-weiß-roten Trainerfraktion im Schweizer Herren-Team. „Mit diesem Sieg ist die Saison eigentlich fast schon gerettet", strahlte der Salzburger Rudi Huber, der Alpinchef der Eidgenossen.

„Druck wie in Österreich." Den Sieg besonders genossen haben natürlich auch der Steirer Walter Hubmann (Speed-Trainer) und der Salzburger Walter Hlebayna (Herren-Chefcoach). Küng sorgte nur zwei Jahre nach dem Triumph von Beat Feuz für den nächsten Wengen-Triumph der sonst meist arg gebeutelten Schweizer. „Der Druck hier in der Schweiz ist auch sehr groß, ähnlich wie in Österreich. Wengen ist natürlich der beste Ort für uns, um einen Sieg zu feiern", so Küng.

Die Österreicher blieben vor der Hahnenkamm-Woche weiter sieglos, der erste Speed-Erfolg seit 13 Monaten wurde allerdings nur hauchdünn verpasst. Als Hannes Reichelt den obersten Podestplatz um Haaresbreite verpasste, da wurde der Frust auch bei Herren-Cheftrainer Mathias Berthold klar sichtbar. Er knallte seinen Skihelm in den Schnee, weil der Sieg durchaus möglich gewesen wäre. Die entscheidende zeit hat Reichelt beim Ziel-S, also auf den letzten Metern, verloren.

Kindergarten. Hannes Reichelt schaffte seinen dritten Podestplatz in Wengen, er wusste nicht so recht, ob er sich freuen oder ärgern sollte. Dass man nicht über die volle Distanz fahren konnte, das wurmte ihn auch. „Das ist nicht Wengen. Aber im Nachhinein ist es schön, dass die vielen Fans doch ein Rennen sehen konnten. Und dann noch dazu einen Schweizer Sieg. Pech für mich, Glück für sie." Werner Franz, der Vierter wurde, meinte: „Im Vergleich zur vollen Distanz war das ein Kindergarten."
Aksel Lund Svindal baute als Dritter (eine Hundertstel hinter Reichelt) seine Führung im Gesamtweltcup auf 82 Punkte aus. Im heutigen Slalom kann Marcel Hirscher aber wieder Boden auf den Norweger gut machen.

("Die Presse am Sonntag", Print-Ausgabe, 19.01.2014)

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