Skispringen: "Mach mal, dann wird es schon gut gehen"

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Simon Ammann jagt bei der Vierschanzentournee den letzten fehlenden großen Titel. Der Routinier über den Kampf zwischen Kopf und Körper, die Enttäuschung von Sotschi, seine neue Vaterrolle und das Phänomen Noriaki Kasai.

Die Presse: Sie haben im Skispringen fast alles gewonnen, nur der Tourneesieg fehlt noch in Ihrer Erfolgsliste. Ist das Ihr letztes, großes Ziel?

Simon Ammann: Die Eins fehlt, aber es wurden schon viele Geschichten mit mir geschrieben. Die letzte Tournee war sehr schön, der Sieg in Oberstdorf sicher einer der schönsten in meiner Karriere, auch wenn es am Ende nicht gereicht hat. Für mich ist der fehlende Gesamtsieg aber nicht der Grund gewesen weiterzumachen.

Was hat Sie dann in einer Ihrer schwersten Vorbereitungen, wie Sie selbst sagen, zu Ihrer 18. Weltcupsaison angetrieben?

Noch ist es schwierig, dafür eine schöne Metapher zu finden. Aber das Springen lässt mich nicht los. Die vergangene Saison ist mir brutal lang nachgehangen, der Kopf war oftmals weiter als der Körper. Da war Beharrlichkeit gefragt, denn ich habe gespürt, dass es zwar langsam geht, sich aber doch bewegt. Generell bin ich heuer lockerer, denn die Zielsetzung ist im Gegensatz zum Vorjahr viel offener.

Wie lang hat Sie die Enttäuschung der Olympischen Spiele in Sotschi beschäftigt?

Aus Misserfolg kann man lernen, aber es ist nun mal ein Unterschied, ob du eine Medaille gewinnst oder nicht. Ich habe es noch nie erlebt, dass sich die Saison gut entwickelt und dann doch noch einmal der Faden reißt. Mit dem vergangenen Jahr werde ich auch keinen Frieden finden, denn ich habe zu viel dafür getan, um es mit ein paar Lehren abzuschließen.

Wie überraschend kamen die beiden Siege zum Saisonstart?

Das ist immer eine Überraschung und meine Freude war echt. Über den Sommer haben wir viele gute Ansätze weitergeführt, das gab im Kopf ein gutes Gefühl. Danach galt es eine strikte Planung reinzubringen, um abschalten zu können, denn mit dem Erfolg kamen auch schnell wieder Medienanfragen.

Steckt hinter den Erfolgen auch ein neuer Materialtrick?

Nein, das Geheimnis liegt im Sprung. Wir haben nicht wahnsinnig viel anders gemacht, aber alles ist besser aufeinander abgestimmt und im Weltcup bringen Nuancen die Entscheidung. Mein Ziel war schon immer ein aggressiver Sprung, denn die Besten sind die, die am schnellsten in die Flugphase kommen. In Kuusamo ist mir das toll gelungen – so macht das Spaß und ich spüre die Freude am Skispringen.

Hat Sie die Geburt Ihres Sohnes Theodore zusätzlich beflügelt?

Es wäre zu einfach, das an den offensichtlichen Dingen festzumachen. Es hat sich zum Glück beides schön entwickelt. Außerdem kann ich das noch gar nicht abschließend einschätzen. Irgendwie hilft es momentan, aber aus sportpsychologischer Sicht könnte ich nicht jedem, bei dem es gerade nicht läuft, sagen: „Mach mal, dann wird es schon gut gehen.“ (lacht)

Hat die Vaterrolle Ihre generelle Einstellung zum Sport verändert?

Ich verreise immer noch und bin dann voll konzentriert. Natürlich ist es ein tolles Gefühl, wieder nach Hause zu kommen und zu sehen, dass der Kleine gewachsen ist. Gerade als Sportler, der so viel im Voraus plant und genaue Ziele erreichen will, ist es eine schöne Erfahrung, dass es Dinge gibt, die sich einfach ergeben und dich prägen. Das hat mich im positiven Sinn verändert.

Noriaki Kasai springt mit 42 Jahren immer noch ganz vorn mit. Wie erklären Sie sich das?

Das ist möglich, weil auch Erfahrung und Gefühl eine große Rolle spielen. Außerdem finde ich das ein schönes Beispiel für die Gesellschaft: Wenn man selbst älter und fauler wird, kann man sich Noriaki als Vorbild nehmen. Bei ihm geht auch nicht mehr alles, aber mit der richtigen Einstellung ist viel zu erreichen. In Japan ist er ein echtes Idol, vielleicht ist die Gesellschaft dort auch einfach anders als hier. Wenn du ein Meister deines Faches bist, dann lässt man dir dort länger die Freude daran. Bei uns werden schnell gesundheitliche oder tausend andere Gründe angeführt, warum du deine Ski besser in die Ecke stellen oder lieber etwas Gescheites machen solltest.

Sehen Sie sich selbst in diesem Alter noch auf der Schanze?

Das ist schwer zu sagen und bis dahin ist es noch sehr lang. Eigentlich habe ich mich schon nach den Siegen in Kuusamo gefragt, warum ich nicht zurückgetreten bin. Und doch bin ich immer noch hier. Ich werde im Frühjahr die grundsätzliche Freude an der Sache abwägen und über die Zukunft entscheiden.

ZUR PERSON

Simon Ammann, 33, zählt zu den erfolgreichsten Skispringern der Gegenwart. Bei Olympischen Spielen gewann der Schweizer viermal Gold (je zweimal 2002 und 2010). Im Weltcup feierte der Weltmeister von 2007 seit seinem Debüt im Dezember 1997 23 Siege, 2009/10 sicherte er sich die Gesamtwertung. Der Triumph bei der Vierschanzentournee fehlt Ammann noch, er wurde zweimal Zweiter. [ EPA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2014)

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