Biathlon: Björndalen - der alte Mann und der Wald

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Keiner hat bei WM und Olympia mehr Medaillen gewonnen als der Norweger Ole Einar Björndalen. Und der Perfektionist hat mit 41 Jahren noch nicht genug und greift in Kontiolahti an.

Kontiolahti/Wien. Mit acht Olympia-Siegen, 19 WM-Titeln und 93 Weltcupsiegen im Gepäck, einer davon sogar im Langlauf, gilt man immer als Mitfavorit. So wird es auch beim dritten Herren-Einzel der Biathlon-WM am Donnerstag (17.15 Uhr, ORF1) über 20 Kilometer in Kontiolahti sein. Mit dem Norweger Ole Einar Björndalen muss man einfach immer rechnen. Den Sprint am vergangenen Wochenende beendete der 41-Jährige nach drei Strafrunden nur als 19., aber die Laufleistung konnte sich einmal mehr sehen lassen. In der Verfolgung hat er sich auf den fünften Platz verbessert – der Altmeister will es auch bei der WM in Finnland noch einmal wissen.

In diesem Winter verbuchte Björndalen bislang nur einen Podestplatz. Es erweckte den Eindruck, der erfolgreiche Skijäger habe den rechten Augenblick versäumt, seine Karriere zu beenden. An dieser Entscheidung scheitern auch andere Persönlichkeiten. Tenöre, Dirigenten, Boxer, Politiker – so erfolgreich sie in ihrem Tun auch waren, mit dem Aufschieben des Abschiedes oder einem plumpen, von Misstönen gepflasterten Comeback zerstören sie sich Glanz und Mythos der ganzen Karriere.

Schneller als Landertinger

Bei den Winterspielen 2014 in Sotschi schien Björndalen das finale Hoch seiner Laufbahn erreicht zu haben. Er gewann Gold im Sprint und auch im Mixed, und das im Alter von 40 Jahren – der Norweger wurde allseits gefeiert, nur in Österreich nicht. Er war im Sprint um 1,3 Sekunden schneller unterwegs gewesen als Dominik Landertinger – obwohl er am Schießplatz fehlerfrei blieb. „Dass mich ein 40-Jähriger so abbrennt, ist beinhart – aber Respekt.“
Auch Martin Fourcade, der Franzose, der neue Star der Szene, zog damals in aller Ehrfurcht seinen Hut: „Er ist eine Legende.“ Mit seinem achten Gold wurde Björndalen der erfolgreichste Winter-Olympionike der Geschichte. Er löste Langläufer Björn Daehlie, ebenfalls eine norwegische Ikone, als Nummer eins ab.

Björndalen wähnte sich bereit für weitere Erfolge. Nach den Spielen sei er voller Emotionen und Inspirationen gewesen: „Ich habe gesehen, dass ich immer noch schnell laufen und an guten Tagen unter den Besten sein kann. Ich bin motiviert wie ein 25-Jähriger, möchte einiges erreichen. Warum soll ich da aufhören?“ Ein Jahr wolle er – trotz aller Bedenken – noch weitermachen, und in diesem Punkt zeigt sich dann doch sein Verständnis von wahrer Größe, Dramatik und einem glorreichen Abgang. Björndalen kennt sein „Ablaufdatum“, er will nicht mehr mit 50 durch den von ihm so heiß geliebten Wald laufen. Die WM 2016, auf Oslos Holmenkollen, wird seine Abschiedsgala.

Permanente Topleistungen schüren im modernen Spitzensport, freilich nebst naiver Anhimmelung, auch den Verdacht, dass mit unerlaubten Mitteln nachgeholfen wird. Doch Björndalen wurde nie direkt mit Doping in Verbindung gebracht, als Mitglied der Athletenkommission pflegt er zudem einen transparenten Umgang mit diesem Thema. „Ich habe Angst um den Ruf meines Sports“, sagte er kürzlich in einem Interview. Es ist nachvollziehbar, gegen einen italienischen Topfunktionär des Weltverbandes wird derzeit ermittelt. Björndalen sagt: „Sportler, die den falschen Weg gehen, sind oft einen Schritt voraus.“ Es müsse einfach mehr Geld in die Antidopingarbeit der Biathlon-Union investiert werden.

Keine Bakterien, kein Alkohol

Bekannt ist der Norweger aber auch für seine absolute Konsequenz. „Alles, was die Leistung mindern kann, muss man ausschalten“, sagt Björndalen stolz. Dieser Anspruch treibt bei ihm mitunter seltsame Blüten. Weil die Böden in den Hotels selten wirklich sauber sind, wovon er überzeugt ist, bedeckt er den gesamten Hotelteppich mit Plastik. Früher hatte er deswegen stets einen eigenen Staubsauger dabei. Seine Idee machte Schule, wo auch immer Norwegens Langläufer oder Biathleten residieren bei Großereignissen, der Boden ist durchgehend und penibel mit Plastik abgeklebt.

Auch in einem weiteren Punkt ging er einen, für Skandinavier eher untypischen Weg. Er beschloss schon als Zwölfjähriger, keinen Tropfen Alkohol zu trinken: „Wenn ich Alkohol weglasse, erreiche ich meine Ziele schneller.“ Er sollte oft recht behalten. Nicht einmal nach seinen Olympia-Siegen machte er eine Ausnahme.

AUF EINEN BLICK

Ole Einar Björndalen gilt als „König der Biathleten“. Der Norweger gewann acht Goldmedaillen bei Olympia, 19 WM-Titel und errang 93 Weltcupsiege. Auch bei der WM in Kontiolahti, Finnland, will sich der 41-Jährige mit Edelmetall dekorieren. Die nächste Chance: Donnerstag, 20- Kilometer-Rennen (17.15 Uhr, ORF1).

Der ÖSV schickt Sven Grossegger, Simon Eder, Dominik Landertinger und Daniel Mesotitsch ins Rennen.
Bei den Damen startet heute (17.15 Uhr, ORF Sport+) das Quartett Hauser, Innerhofer, Schwaiger und Zdouc.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2015)

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