ÖSV-Athletenerklärungen: "Eine kartellrechtliche Katastrophe"

Anna Fenninger mit Manager Klaus Kärcher
Anna Fenninger mit Manager Klaus KärcherGepa
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Die Athletenerklärungen des ÖSV beschneiden die wirtschaftliche Selbstständigkeit der Sportler, bestätigen zwei unbefangene Sportanwälte. Genau das will sich Superstar Anna Fenninger nicht mehr gefallen lassen.

Der Konflikt zwischen dem Österreichischen Skiverband und Anna Fenninger lässt sich mit einem Wort schnell erklären: Geld. Der Verband kann sein Budget von 40 bis 50 Millionen Euro pro Jahr nur zusammenkratzen, wenn er neben massiven öffentlichen Förderungen auch an den Werbeeinnahmen der Stars partizipiert. Daher besteht der Verband auf der Vertragshoheit mit dem Sponsor. Der ÖSV schreibt die Verträge, kassiert das ganze Geld, zieht die Provision ab und leitet den Rest an den Aktiven weiter.

Die Grundlage dieser Vereinbarungen stellen einseitige, der „Presse“ vorliegende Athletenerklärungen dar. Sie beschränken nach Meinung namhafter Sportrechtsexperten Sportler in Persönlichkeits- und Marketingrechten. Der Stuttgarter Anwalt Markus Wekwerth: „Die Erklärungen sind eine kartellrechtliche Katastrophe. Ich kann mir nicht erklären, warum die Behörden in Österreich dagegen nicht vorgehen.“

Wie vor einer Behörde

Es geht um drei Erklärungen, die der Sportler, jedoch kein ÖSV-Funktionär zu unterschreiben hat: Lizenzerklärung, Verhaltensordnung und Ausführungsbestimmungen für Werbung von Aktiven des Nationalteams. Die Rennläuferlizenz erhält nur, wer unterschreibt. Falls ein Athlet auf Helm oder Kapperl das Logo eines Werbepartners (Fachbegriff: Kopfsponsor) picken will, muss er wie vor einer Behörde ansuchen. Artikel 2.1 der Ausführungsbestimmungen: „Kein Aktiver hat Rechtsanspruch auf die Nutzung solcher gemäß Artikel 206 der IWO im Eigentum des ÖSV stehenden Werbeflächen auf Kopfbedeckungen.“

Die Internationale Wettkampfordnung (IWO) des Internationalen Skiverbands FIS wird von Verbänden wie dem ÖSV beschlossen. Die Abhängigkeit der Athleten von ihrem jeweiligen nationalen Verband ist ein globales Faktum. Wekwerth bezeichnet das als „unbehelligtes Milliarden-Sportkartell“. Es behandle Sportler wie selbstständige Unternehmer, die allerdings keine selbstständigen unternehmensbezogenen Verträge abschließen können. Da agiere der Deutsche Skiverband weitaus liberaler, moderner. „Er legt ebenfalls auf zentrales Marketing Wert, weil dadurch mehr Geld hereinkommt. Aber er erlaubt den Athleten auch, sich selbst zu vermarkten.“

Das behauptet der ÖSV zwar auch, aber Praxis und Papiere sprechen eine andere Sprache. Sollte der Antrag eines Sportlers auf individuellen Kopfsponsor von der „Präsidentenkonferenz“ genehmigt werden, läuft die Maschinerie an. Es „wird zunächst ein entsprechender Vertrag zwischen dem ÖSV und dem vorgeschlagenen Werbepartner abgeschlossen und nachfolgend eine darauf basierende Vereinbarung des ÖSV mit dem/der Aktiven, in der alle wesentlichen Details geregelt sind“ (Bestimmung 2.5.3).

Der Konflikt zwischen dem ÖSV und Fenninger ist rund drei Jahre alt. Damals engagierte die Weltmeisterin, Olympia-Siegerin und Gesamtweltcupsiegerin den deutschen Manager Klaus Kärcher. Sie will wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen, doch externe Manager mag der ÖSV nicht: „Für den ÖSV und den Austria Ski Pool sind ausschließlich der/die jeweilige Aktive Gesprächspartner“, heißt es unter dem Punkt „Lizenzerklärung“. Sollte der Sportler gar auf die Idee kommen, selbstständig „Sonstige Werbemöglichkeiten“ auszuloten, verweist der ÖSV an – den ÖSV: „Alle Arrangements bedürfen in jedem Einzelfall der Anmeldung, Genehmigung und des Vertragsabschlusses durch den ÖSV.“

Wer die Erklärung unterschreibt, gestattet „für die Dauer seiner/ihrer Zugehörigkeit zu einem ÖSV-Kader dem ÖSV und dem Austria Ski Pool die Verwendung seiner/ihrer Persönlichkeitsrechte, insb. Name, Bild, Titel, Stimme und Erfolg“. Der Aktive nimmt „zur Kenntnis, dass er/sie aus den hiefür erzielten Erlösen, sofern im Einzelfall keine Sondervereinbarung vorliegt, keinen Anteil erhält“.

Nette Vier-Augen-Gespräche

Es ist unbestritten, dass der ÖSV durch die zentrale Vermarktung vielen Sportlern, die auf dem freien Markt keine Chance hätten, hilft. Doch seine Vorgangsweise beschränke auch die Nachfrage von Sponsoren, sagt Wekwerth: „Firmen fragen, warum sie mit dem Verband verhandeln müssen und nicht an den Sportler herankommen.“

Der Wiener Sportanwalt Wolfgang Rebernig fragt sich, „ob diese Erklärungen rechtsverbindlich sind. Denn es ist nicht klar ersichtlich, wer Partner des unterzeichnenden Athleten ist. Und worin bestehen die Pflichten des ÖSV, wenn er dieser Partner ist?“ Der ÖSV glaube, so Rebernig, „tun zu können, was er will“. Bei den Erklärungen handle es sich offenbar um den Versuch, „eine Scheinselbstständigkeit des Sportlers zu fixieren“. Der ÖSV wolle offenbar mit ihnen „nicht in ein Dienstverhältnis kommen“.

Es gibt (mindestens) einen Präzedenzfall für die Kabale Fenninger–ÖSV. 2012 drängte Peter Schröcksnadel den Manager von Marcel Hirscher, Michael Holzer, aus dem Geschäft. Es lief exakt so wie bei Fenninger: Vier-Augen-Gespräche zwischen Sportler und ÖSV-Präsidenten oder einem Stellvertreter, sagt Holzer. Keine Zeugen. Keine schriftlichen Unterlagen oder Angebote. Hirscher gab dem Druck nach und erhielt seine Kotau-Prämie. Heute hat er ein Privatteam aus zehn Mann, die der Verband teilweise bezahlt. Fenninger will sich diesem Druck nicht beugen. Noch ein Aspekt fällt dabei ins Gewicht: Hirscher ist nicht Olympia-Sieger und somit auf dem internationalen Markt deutlich weniger attraktiv.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2015)

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