Für Matthias Mayer ist nach seinem Sturz in Gröden die Saison beendet. Seine Schutzweste verhinderte wohl noch Schlimmeres. Verwendet wird das System aber nur von einer Minderheit, ein Grund dafür ist der Preis.
St. Christina/Gröden. „Natürlich hat es geholfen“, ist Marco Pastore überzeugt. Der Italiener ist Vertreter der Firma Dainese, die seit dieser Saison einige Weltcup-Rennläufer mit dem „D-air“-System ausstattet, einer Airbag-Schutzweste, die bei Stürzen Oberkörper und Nacken der Athleten schützen soll.
Beim Abfahrtsklassiker in Gröden ist ein solcher Airbag erstmals im Weltcup ausgelöst worden. Matthias Mayer verlor auf der Saslong die Kontrolle und krachte nach einer 180-Grad-Drehung in der Luft hart mit dem Rücken auf der Piste auf. Der Abfahrts-Olympiasieger brach sich den sechsten und siebenten Brustwirbel und wurde in der Nacht auf Sonntag in Innsbruck operiert. Die Saison ist für den 25-Jährigen vorzeitig zu Ende. Mayers Airbag, der sich binnen Sekundenbruchteilen aufpumpte, verhinderte wohl noch schlimmere Verletzungen.
Für Pastore hat sich die Schutzweste bewährt. Das System habe erkannt, „dass der Skifahrer in der Luft war, dass da eine Rotation war, die nicht normal war“. Daher sei es sofort zur Auslösung gekommen.
Auch ÖSV-Sportdirektor Hans Pum glaubt, der Airbag habe „wahrscheinlich schwerere Verletzungen verhindert“. Österreichs Abfahrtschef Florian Winkler äußerte sich schon vor Mayers Sturz positiv über das Schutzsystem („Eine sehr gute Sache“), ebenso FIS-Renndirektor Hannes Trinkl („sinnvolle Neuerung“).
Dennoch werden die 800 Gramm schweren Airbags nur von wenigen Läufern verwendet. In der Gröden-Abfahrt von sechs Fahrern (vier Österreicher, zwei Kanadier), im Super-G von sieben, berichtet Pastore. Das sei als Erfolg zu werten, schließlich ist das System erst seit drei Wochen im Renneinsatz. „Die Athleten müssen sehen, dass es hilft und nicht langsamer ist.“
Doch genau das fürchten die Läufer. Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud wollen ihre perfekt sitzenden Rennanzüge nicht mit einem eventuell aerodynamisch nachteiligen Gepäck beladen. Allerdings haben die beiden Norweger das System im Abfahrtstraining auf der Saslong getestet – und die Plätze eins und zwei belegt. Auch Fehl-Auslösungen schließt Pastore mittlerweile aus. In fünf Jahren seien haufenweise Daten gesammelt worden. „Wir wissen schon, wann es auslösen muss und wann nicht.“
Ein anderes Hindernis ist der Preis. 1000 bis 1500 Euro kostet die Anschaffung. Als Sponsor rüstet Dainese einige Läufer der Verbände Österreichs, Italiens und Kanadas aus. Der Rest müsse aber zahlen, Herstellung und Wartung seien mit enormem Aufwand verbunden. „Das ist nicht wie ein Paar Handschuhe zu kaufen“, sagt Pastore.
Dennoch ist es gut investiertes Geld, wie der Sturz von Mayer gezeigt hat. „Da wächst alles wieder zusammen“, teilte der Kärntner mit. Und: „Es hätte viel schlimmer sein können.“ (joe)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2015)