Die Marcel-Hirscher-Show

UeBERREICHUNG GROSSES EHRENZEICHEN FUeR VERDIENSTE UM DIE REPUBLIK OeSTERREICH AN MARCEL HIRSCHER
UeBERREICHUNG GROSSES EHRENZEICHEN FUeR VERDIENSTE UM DIE REPUBLIK OeSTERREICH AN MARCEL HIRSCHERAPA/GEORG HOCHMUTH
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PR-Termine, Interviews, Radiosendung, Ehrung und Auszeichnung – die Skisaison ist längst Geschichte, nur Marcel Hirscher fand noch keine Ruhe. "Was will ich in Zukunft machen? Ski fahren!"

An Marcel Hirscher gibt es auch in dieser Woche noch kein Umhinkommen. Die aktuelle Ausnahmeerscheinung im Skisport fasziniert die Massen landesweit, obwohl die Skisaison mit dem Weltcupfinale in St. Moritz längst vorbei ist. Mit dem Gewinn der fünften großen Kristallkugel in Serie hat sich der Annaberger zur Skilegende gekrönt, und Sportler, die in Österreich großen Erfolg haben, werden von der Politik sogleich geehrt. Hirscher erhielt nach einem Termin bei seinem Hauptsponsor das Große Ehrenzeichen der Republik. Der 27-Jährige war begeistert und gelobte, den Orden eines Tages auch auszuführen. „Wenn ich alt genug dafür bin, werde auf den Opernball gehen und ihn tragen.“

Damit reihte er sich in einen Kreis ein, dem unter anderen seine Exkollegen Hermann Maier, Karl Schranz, Toni Sailer und Annemarie Moser-Pröll angehören. „Das ist wirklich eine große Ehre“, sagte Hirscher. Für seinen Hauptsponsor und den Skiverband hat sich das Investment in Hirscher als stabile Anlage erwiesen, die saftige Dividenden in Form von positiven Markenwerten abwirft. Und das, obwohl er laut Expertenmeinung gar nicht dem Idealtypus des ÖSV-Skistars entspricht.


Intelligenz und Ausstrahlung. Bei den Heimauftritten in Sölden, Kitzbühel, Schladming und Hinterstoder wurde der Salzburger wie ein Popstar bejubelt, und auch aus Medien und Werbung ist sein Konterfei nicht wegzudenken. Im vergangenen Jahr „erwirtschaftete“ Hirscher einen Werbewert von 7,2 Millionen Euro und war damit mit Abstand die Nummer eins unter den rot-weiß-roten Sportstars.

Für ÖSV-Marketing-Mann Mario Reiter – der Rankweiler gewann 1998 in Nagano, Japan, Olympia-Gold in der Kombination – zählen Intelligenz und Selbstbestimmtheit zu den wesentlichen Faktoren, die Hirscher aus der Menge herausheben. „Er beschäftigt sich mit vielen Dingen selbst, die andere abgeben. Er weiß ganz genau, was er abgibt und nicht selbst zu machen hat“, sagte Reiter. Cool, authentisch und bodenständig seien weitere Kernattribute, die Hirscher auszeichnen.

Zweifel, was den Punkt Authentizität anbelangt, hegt dagegen der Politik- und Kulturwissenschaftler Georg Spitaler, der sich intensiv mit der Beziehung der Österreicher zu ihren Sportstars auseinandergesetzt hat. „Er wirkt schon auch sehr gut gecoacht. Wie er die Mütze aufsetzt, oder vor einigen Jahren hat er noch diese Brille getragen, das sind bewusste Zeichen“, meinte er. Laut Spitaler stellt Hirscher in Sachen Image einen Bruch mit dem traditionellen Image des ÖSV-Rennläufers dar, der erdiger und naturverbundener sei. So, wie es einst Hermann Maier war, obwohl der ebenfalls mit Werbung verziert wurde und auch weiterhin oft gebucht wird. Hirscher sei allerdings betont jugendlicher und urbaner ausgerichtet.


Wie David Alaba? In Sachen Bekanntheitsgrad könne Hirscher jedenfalls nur Fußball-Überflieger David Alaba das Wasser reichen. „Die sind ziemlich gleichauf. Was ich so an Daten kenne, und es gibt ja wahnsinnig viele Image-Items, variiert das nur geringfügig“, sagt Reiter. „Solche außergewöhnlichen Typen mit solch außergewöhnlichem Erfolgspotenzial kann man nicht planen oder über Strukturen produzieren, sondern die kommen einfach. Da ist es dann entscheidend, dass man sie findet, sie begleitet und ihnen entsprechend Hilfeleistung stellt. Aber letzten Endes wird so etwas immer auch von anderen Faktoren abhängig sein als nur von der Nachwuchs- und strukturellen Arbeit des Verbandes.“

Wer Erfolg hat, den ereilt auch Neid, Missgunst und das stete Geleit der Schulterklopfer. Wichtig sei, dass man sich in diesen Augenblicken seiner selbst besinne, sagt Hermann Maier. Und er muss es wissen, denn jeder seiner Schritte wurde dokumentiert, nachdem er „die Nagano-Brez'n g'rissen, Gold gewonnen und nach dem Motorradunfall in Kitzbühel triumphiert hatte“. Für ihn sei der Karriereverlauf von Hirscher, den er 2008 beim Weltcupfinale in Bormio das erste Mal getroffen habe, „absehbar“ gewesen. „Dass diese Konstanz, speziell in den vergangenen fünf Jahren, so kommen wird, hat man eigentlich schon gesehen“, meinte der 43-Jährige.


Und jetzt kommt die Zugabe! Hirscher habe sehr viel erreicht, könne sich jetzt auf die „Zugabe“ konzentrieren. „Es ist noch sehr viel möglich, er ist auf einem sehr guten Weg.“ Speziell imponiere ihm, dass Hirscher in dieser Saison in der Super-G-Weltklasse (Sieg in Beaver Creek) angekommen ist. „Das ist doch eine Disziplin, bei der man sehr schlau sein muss, weil es nur eine Besichtigung gibt. Die Verbindung von Technik und Geschwindigkeit ist nicht zu unterschätzen. Das scheint ihm sehr großen Spaß zu machen.“

Maier hält es für realistisch, dass Hirscher seinen Weltcuppunkterekord eines Tages knacken könnte. In der Saison 1999/2000 hatte es der Salzburger auf 2000 Zähler gebracht. „Ich wäre sehr traurig, ich habe mich schon angemeldet bei Psychologen . . .“

Über seine sportlichen Errungenschaften kann Hirscher tatsächlich selbst nur staunen. „Ich finde nach wie vor keine Lösung, warum das möglich ist. Umso schöner, dass es klappt.“ Hirscher wiederholte, die Saison erst sacken zu lassen, sich erst dann Gedanken über weitere Pläne zu machen. „Was will ich machen? Was kann ich mir zutrauen? Ski fahren, oder?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2016)

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