Biathlon: In den Köpfen der Meisterschützen

Extremer Ruhepuls, geschulter Blick, dann der Schuss – die hohe Kunst des Biathlons.
Extremer Ruhepuls, geschulter Blick, dann der Schuss – die hohe Kunst des Biathlons. (c) APA/AFP/FRANCK FIFE
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Die ÖSV-Staffel steht bei der Heim-WM enorm unter Druck. Mit Mentalcoaching wollen die Skijäger bestehen.

Hochfilzen. Daniel Mesotitsch ist ein Routinier, der Kärntner sorgte schon 2005 in Hochfilzen für die erste ÖSV-Staffelmedaille in der WM-Geschichte. Nun, zwölf Jahre später, nimmt er wieder in der Heimat eine WM-Staffel in Angriff. Als einziger Österreicher konnte er zuletzt am Schießstand überzeugen („Alter schützt nicht vor Leistung“), doch selbst der 40-Jährige sagt: „Nervös bin ich nicht mehr. Aber du hast dennoch einen gewissen Druck bei den Rennen.“

Der Druck wurde vor den letzten drei Bewerben wegen der noch fehlenden ÖSV-Medaille immer größer, manche sprechen schon von einem „Heimnachteil“. Vor allem am Schießstand. 15.000 Zuschauer sitzen den Skijägern im Nacken, jeder Treffer wird bejubelt, bei jedem Fehler hallt ein Raunen durch die Menge. Links und rechts fallen die Scheiben der Konkurrenten, der Puls von rund 180 tut sein Übriges. Die Folge sind kuriose Schießeinlagen wie jene der sonst so treffsicheren Lisa Hauser: Bei ihren zehn Stehend-Treffern im Einzel hat sie achtmal sogar die deutlich kleinere Liegend-Trefferfläche erwischt; Liegend aber traf sie nur fünf der zehn kleinen Scheiben.

Die WM hat das Medieninteresse vervielfacht, die Biathleten stehen im Rampenlicht. Mental ist das ein Nachteil, mag der Sportler noch so vor Selbstvertrauen strotzen wie Julian Eberhard. Kollegin Fabienne Hartweger, die sich in der Mixed-Staffel als Fehlbesetzung erwies, haderte mit dem Medienecho, ist dadurch „von der Bahn abgekommen“.

Coachen, wenn der Hut brennt

Freilich könne man auch kurzfristig eingreifen, erklärt Thomas Schroffenegger. Der frühere Profi-Volleyballer, 45, steht den ÖSV-Biathleten als Sportpsychologe zur Seite, auch in Hochfilzen. „Natürlich rufen mich die Athleten an, wenn der Hut brennt“, sagt Schroffenegger, meist aber sei die Betreuung durch ihn ein längerer Prozess. Wie bei Dominik Landertinger, seit Jahren arbeiten die beiden zusammen, im September des Vorjahres haben sie begonnen, gezielt die WM vorzubereiten.

Vergattert wird aber niemand zum Mentalcoaching, Schroffenegger sieht sich auch vielmehr als Psychologe denn als Trainer. „Es geht um Persönlichkeitsentwicklung. Für mich ist es wichtig, dass es den Athleten rundherum gut geht.“ Auch mit Eberhard, der bei der WM-Staffel im Vorjahr die einzige Strafrunde verschuldet hatte, arbeitet er, ebenso mit Mesotitsch. Nur mit Simon Eder, der abseits des ÖSV trainiert, nicht. Auch andere Weltklasse-Biathleten wie der deutsche Simon Schempp haben einen Mentaltrainer, Branchenführer Martin Fourcade hingegen verzichtet. Er sagt: „Ich setze mich selbst mit den Dingen auseinander. Das ist das beste Training.“

Salzburger als US-Goldschmied

Wie man liegend und stehend die Ruhe bewahrt, hat in Hochfilzen Lowell Bailey vorgeführt. Der Weltmeister verfehlte in drei Einzelrennen nur eine Scheibe (von 50). Der Salzburger Sportwissenschaftler Gerold Sattlecker berät den Meisterschützen, am Schießmessstand wurde an Stand, Abzugsverhalten und Schulterdruck getüftelt. Technik also, keine Psychologie. Aber: „Es ist eine Bestätigung, wenn das Schießen mit Zahlen untermauert wird. Das ist schon ganz gut für den Kopf“, glaubt Sattlecker.

Dank der Nachlader platzen bei einem Fehlschuss in der Staffel zwar noch keine Medaillenträume, Routinier Daniel Mesotitsch erwartet dennoch „ein Gemetzel“ am Schießstand.

AUF EINEN BLICK

Zur Damenstaffel (vier mal sechs km) ist der Winter nach Hochfilzen zurückgekehrt. Im Schneetreiben führte Laura Dahlmeier Deutschland zu Gold vor der Ukraine und Frankreich.

Österreich wurde disqualifiziert, weilJulia Schwaiger beim Liegendschießen einmal zu oft nachgeladen hat.

Heute folgt die Männerstaffel (vier mal 7,5 km, 14.45 Uhr, live, ORF eins).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2017)

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