Nordische Kombination: In der Freiheit liegt die Kraft

(c) GEPA (Wolfgang Grebien)
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Für den 33-jährigen Salzburger Felix Gottwald wird der Weltcupauftakt kein Comeback, sondern ein Neustart und der Beginn eines Genussprojekts.

SALZBURG. Das Wort Comeback vermeidet er ganz bewusst, er hat es aus seinem Wortschatz gelöscht. Felix Gottwald, der sich im März 2007 am Holmenkollen in Oslo mit einem zweiten Platz von der Nordischen Kombinierer-Familie verabschiedet hat und am kommenden Samstag nach zweijähriger Absenz wieder in den Weltcup einsteigt, nennt es schlicht und einfach Neubeginn.

„Comeback würde bedeuten, dass man dort anknüpfen will, wo man aufgehört hat. Da gibt es alte Spuren, denen man folgt. Ich aber will neue Wege gehen und neue Spuren hinterlassen“, erklärt der 33-jährige Salzburger. In ein altes Fahrwasser will der Doppelolympiasieger von Turin 2006 nicht geraten, in Anspielung auf seine Sportart hört sich das so an: „In alten Rillen bleibt man leicht hängen.“ Fehler dürfe man machen, aber nie ein zweites Mal.

Gottwald, mit insgesamt sechs Medaillen erfolgreichster Olympiateilnehmer Österreichs, versprüht im Gespräch mit der „Presse“ Optimismus und Begeisterung. Aus dem Ausnahmeathleten aus Zell am See spricht aber vor allem eine tiefe Selbstzufriedenheit. Er brennt auf den Saisonauftakt am kommenden Samstag im finnischen Kuusamo, die letzten Testwettkämpfe und Formüberprüfungen haben lediglich sein eigenes Gefühl bestätigt: Er ist absolut bereit für den Neustart. Und vielleicht sogar so gut wie nie zuvor. „Dort oben in Kuusamo ist alles möglich“, sagt Gottwald.



„Ich empfinde das nicht
als Strapaze, sondern als Freiheit schlechthin.“

Felix Gottwald

Im Mai dieses Jahres hatte Gottwald in Wien bei einer Pressekonferenz seinen Entschluss, sich wieder der Konkurrenz stellen zu wollen, bekannt gegeben. So richtig weg aber war der Salzburger ohnehin nie. Auf einer gemeinsamen Autofahrt mit seinem Servicemann wurde die Idee des „Neustarts“ geboren. „Zunächst war es nur ein Gedanke, dann ein Gefühl. Wir haben begonnen, gemeinsam ein Luftschloss zu bauen – das gar keines war. Das Gefühl wollte sich nicht mehr verflüchtigen, es wurde immer stärker. Und ich bin diesem Gefühl gefolgt, wollte es gar nicht großartig hinterfragen. Wieder Spitzensport zu betreiben, das hat sich einfach gut angefühlt.“

Der ehemalige Stams-Schüler hat immer schon auf seine innere Stimme gehört. Das beinharte Training empfindet einer wie er nicht als Qual. „Ich tue mir das nicht an, ich will und brauche das. Ich bereue keine einzige Sekunde. Ich habe ein Ziel und dann marschiere ich durch“, erklärt Gottwald, der über eine hochsensible innere Uhr verfügt. Einen Trainingsplan im herkömmlichen Sinn hat er sich erst gar nicht zurechtgelegt. „Sonst müsste ich zu oft umplanen.“ Der Salzburger nennt es den freien Zugang und spricht von gelebter Freiheit. „Das ist auch der Grund, warum ich den Computer komplett neu gestartet habe. Mit allen Updates.“

Die Zeit der intensiven Wettkampfvorbereitung sei wie im Flug vergangen. „Meine kurzweiligsten Monate“, wie er es selbst bezeichnet. „Unkompliziert, einfach lässig.“ Und Felix Gottwald spürt, dass er sich wieder auf einem „guten Niveau“ befindet.

In der Loipe hat der zwanzigfache Weltcupsieger immer schon zu den Weltbesten gehört, nun beweist er auch bei den Sprüngen eine schöne Konstanz. „Das gibt Selbstvertrauen. Ich denke, ich bin auf einem guten Weg.“ Die Teamkollegen und Betreuer schließen sich dieser gesunden Einschätzung übrigens voll und ganz an.

Wiedervereintes Erfolgsgespann

Betreut wird Gottwald von Günther Chromecek, dem ehemaligen ÖSV-Goldschmied. Mit ihm verbindet ihn eine Art „Seelenverwandschaft“, wie Gottwald selbst sagt. Das ist kein normales Athleten-Trainer-Verhältnis, sondern weit mehr. In seiner Autobiografie („Ein Tag in meinem Leben“) schreibt der Salzburger über seinen langjährigen Weggefährten: „Ich hatte immer das Gefühl, bei ihm etwas lernen zu können. Ja sogar etwas zu versäumen, wenn ich nicht an seiner Seite war.“ Die Wiedervereinigung des so erfolgreichen Gespanns wollte freilich auch der Skiverband nicht verhindern. Dafür ist Felix Gottwald auch dankbar. Das stimmige Umfeld ist ein Grund, warum Gottwald seinen „Neustart“ oft auch als „Genussprojekt“ bezeichnet.

Die nötige Kraft holt sich der Salzburger aus der inneren Harmonie, aus einer beeindruckenden Ausgeglichenheit. Versagensängste sind Gottwald fremd. Auch, weil er niemanden mehr etwas beweisen muss. „Ich mache das alles nur für mich. Ich empfinde das nicht als Strapaze, sondern als Freiheit schlechthin.“

An die Winterspiele in Vancouver im Februar vergeudet Felix Gottwald derweil noch keine Gedanken. „Ich weiß auch noch nicht genau, was ich morgen trainiere.“ Er geht seinen eigenen Weg. Und will eben neue Spuren hinterlassen. Ein Athlet wie er beschäftigt sich auch nicht weiter mit der Konkurrenz. „Ich schaue nur auf mich. Was immer noch dieser Winter mit mir vorhat und bringen möge, das Genussprojekt hat jetzt schon Sinn und Zweck erfüllt.“ Klingt aus Gottwalds Mund beinahe verheißungsvoll.

ZUR PERSON

Felix Gottwald (* 13. Jänner 1976 in Zell/See) gewann bei Olympischen Winterspielen in der Nordischen Kombination bisher sechs Medaillen (zweimal Gold, einmal Silber, dreimal Bronze). Er errang 20 Weltcupsiege und holte 14 Medaillen bei Großereignissen.

Rücktritt 2007, Neustart 2009 Nach zweijähriger Pause wagt Gottwald den Neustart und folgt seinen Gefühlen: „Die Festplatte ist gelöscht, alle Updates sind gemacht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2009)

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