Die Ungewissheit des Marcel Hirscher

Marcel Hirscher mit Raiffeisen- Marketingchef Leodegar Pruschak beim Pressetermin in Wien.
Marcel Hirscher mit Raiffeisen- Marketingchef Leodegar Pruschak beim Pressetermin in Wien.(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Marcel Hirscher ist mit der Genesung seines gebrochenen Außenknöchels zufrieden, er hofft auf ein Comeback in Levi Mitte November. „Aber ich muss meine Erwartungen reduzieren.“

Wien. Wenn Marcel Hirscher zur medialen Audienz bittet, dann kommen sie alle. Selbst das norwegische Fernsehen NRK hatte sich Donnerstagmittag im Wiener Innenstadthotel Herrenhof eingefunden, um den Ausführungen des Ski-Superstars zu lauschen. Hirscher sprach einen Monat vor Beginn der Weltcupsaison in Sölden aber nicht wie gewohnt über Form und Kristallkugeln, nein, der Fokus ist momentan ein gänzlich anderer. Beim Training auf dem Mölltaler Gletscher Mitte August hatte sich der Salzburger den linken Außenknöchel gebrochen. „Ein Konzentrationsfehler, zu 100 Prozent meine Schuld“, befand Hirscher nach mehrfachem Videostudium.

Die Schritte auf dem Weg zurück zu alter Stärke, sie fallen klein aus. Den Gips hat Hirscher zwar schon abgelegt, an Skifahren ist gegenwärtig aber nicht zu denken, auch wurde noch kein Skischuh anprobiert. „Es war und ist eine Achterbahnfahrt. Von Verzweiflung bis zu Glücksmomenten ist alles dabei“, berichtete der 28-Jährige, der die Skiszene seit einer gefühlten Ewigkeit beherrscht, zuletzt sechsmal in Folge den Gesamtweltcup gewinnen konnte. Immer wieder ertappt sich Hirscher dabei, wie er sich selbst dieselben Fragen stellt. „Werde ich Schmerzen haben? Werde ich in demselben Umfang wie zuvor trainieren können?“ Der Sieger von 45 Weltcuprennen findet darauf momentan noch keine Antworten, es ist schlichtweg zu früh dafür. Von entscheidender Bedeutung wird sein, ob und welche Reaktion Hirschers Fuß an der Bruchstelle im Skischuh zeigt, wenn erst einmal die gewohnten Kräfte wirken. Hirscher, der Tüftler, steht mit Ausrüster Atomic in regem Austausch, an einem Spezialschuh wird im Hintergrund bereits gearbeitet. „Aber ich hoffe, ich brauche ihn nicht.“

Ein Schatten über Olympia

Heute unterzieht sich Hirscher abermals einem Röntgen, es wird Aufschluss über den weiteren Comebackplan geben. Sölden (29. Oktober) wird er heuer nicht sehen, als ambitioniertes Ziel hat Hirscher den Slalom in Levi (12. November) ausgegeben. „Aber auch dafür braucht es ein kleines Wunder, da muss alles funktionieren. Und ich rede von mitfahren, nicht von einer Topplatzierung.“

Es sei eine große Kunst, sich Schritt für Schritt wieder ans Limit heranzutasten, nichts zu überstürzen, aber den stetigen Fortschritt zu verfolgen. „Irgendwann wieder fast hemmungslos zu sein in einem Rennen, diese Barriere gilt es zu durchstoßen.“ Die fehlenden Skitage könne er gegenüber der Konkurrenz ohnehin nicht mehr aufholen, Favoriten seien in diesem Winter also bestimmt andere. „Ich denke da natürlich an Alexis Pinturault und die Norweger.“

Läuft alles nach Wunsch, möchte der ÖSV-Superstar im Jänner wieder sein volles Leistungsvermögen ausspielen können. Die Olympischen Spiele (9. bis 25. Februar) im südkoreanischen Pyeongchang beschäftigen ihn momentan weniger sportlich denn sicherheitspolitisch.

Zuletzt hatte der Deutsche Felix Neureuther offen mit einem möglichen Olympia-Verzicht kokettiert. Hirscher sagt: „Ich bin da ganz bei Felix. Das Leben ist mehr wert als vielleicht eine Medaille, die sehr sauer schmeckt.“ Er werde die Lage weiter verfolgen. Sollte sie sich verschärfen, würde er Konsequenzen ziehen. „Dann schaue ich vor dem Fernseher zu.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2017)

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