Henrik Kristoffersen hat die Saisonvorbereitung großteils allein absolviert, beinahe wäre der Streit mit Norwegens Verband eskaliert. Auf den Slalomauftakt verzichtet er heuer aber nicht.
Levi/Wien. Gelöst ist die Causa Henrik Kristoffersen noch lang nicht. Es stand aber auch schon schlimmer um den norwegischen Slalomstar. Seit mittlerweile zwei Jahren trägt er einen Streit mit Norwegens Skiverband aus, er will Red Bull als seinen Kopfsponsor durchsetzen, noch immer aber prangt auf seinem Helm das Logo des Verbandssponsors Telenor, Norwegens staatlicher Telefongesellschaft. Red Bull an sich ist dabei nicht das Problem, das beteuern auch alle Beteiligten, in Wahrheit geht es um einen einzelnen Athleten, der an der Grundausrichtung des gesamten Verbandes rüttelt.
Während die Angelegenheit – es soll um 1,6 Millionen Euro gehen – nun auf die nächste Gerichtsentscheidung wartet (ein Amtsgericht hat Kristoffersens Klage in erster Instanz abgewiesen), muss sich der 23-Jährige auf seinen Slalomschwung konzentrieren, am Sonntag startet er in Levi (10/13 Uhr, live, ORF eins). Im Vorjahr hat er den Slalomauftakt noch ausgelassen, Kristoffersen wollte im Sponsorenstreit ein Zeichen setzen. Ein Sieg in Levi hätte ihm weder Slalom- noch Gesamtweltcup eingebracht, am Saisonende lag er 160 bzw. 696 Punkte hinter Marcel Hirscher, der Salzburger hat mit seinen Erfolgen die ganze Causa aber erst in Gang gebracht. Denn Kristoffersen ist überzeugt: „Wenn ich ihn schlagen will, dann muss ich so wie er oder besser arbeiten.“ Und dazu gehören nach seiner Ansicht und der seines Trainervaters Lars eben auch Extrawürste, wie sie der sechsfache Gesamtweltcupsieger im ÖSV genießt: eigene Sponsoren und ein eigenes Team.
Der Egoist als Teammitglied
Auch der ÖSV tendiert zu individuellerer Betreuung. Doch in einem Verband wie dem norwegischen, in dem Teamwork nicht nur Grundbedingung, sondern nachweislich auch Erfolgsrezept ist, sind Sonderrechte nicht gern gesehen. Noch dazu, da der steirische Chefcoach, Christian Mitter, dem Norges Skiforbund mit 29 Siegen gerade die beiden erfolgreichsten Jahre der Alpingeschichte beschert hat.
Im Sommer standen die Zeichen endgültig auf Eskalation. Eine Athletenvereinbarung hätte den Verzicht auf individuelle Kopfsponsoren amtlich gemacht, Kristoffersen weigerte sich zu unterschreiben. Anfang Juli tat er es dann doch, trainieren musste er dennoch allein, der Verband übernahm keine Kosten. Sein Ausrüster, Rossignol (Vertrag bis 2020), half, auch Red Bull natürlich. Norwegischen Medien zufolge waren Teamkollegen gegen seine Rückkehr, Aleksander Aamodt Kilde soll ihn einen Egoisten genannt haben.
Seit dem 1. Oktober ist wieder alles anders. Es gab eine Aussprache unter professioneller Mediation, Kristoffersen ist wieder volles Mitglied der Nationalmannschaft. „Was er seit 1. Oktober gezeigt hat, war sehr okay. Er ist kräftiger und schwerer geworden. Es schaut in Summe sehr gut aus“, sagt Mitter. Kristoffersen betont, freundlich empfangen worden zu sein. Er kam auch gleich in den Genuss eines Vorteils als norwegisches Teammitglied: Dank eines Sonderabkommens mit dem finnischen Verband durften Kristoffersen und Co. vergangene Woche vorab auf der Rennpiste in Levi trainieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2017)