Ein Favoritensieg, ein Sensationscoup und die Revanche des Henrik Kristoffersen: Die 78. Hahnenkammrennen boten großen Sport, gingen aber ohne rot-weiß-roten Heimsieg zu Ende.
Kitzbühel/Wien. Die Gamsstadt war zumindest sportlich in norwegischer Hand. Henrik Kristoffersen, der sich zuletzt die Zähne an Dauerrivale Marcel Hirscher ausgebissen und dessen Nervenkostüm dabei einen zunehmend strapazierten Eindruck hinterlassen hatte, schlug ausgerechnet im österreichischen Ski-Mekka zurück. Mit seinem überlegenen Slalomtriumph am Ganslernhang beendete er die Siegesserie des dieses Mal zweitplatzierten Salzburgers. Dritter wurde Daniel Yule aus der Schweiz.
Für Hirscher hatte der Stockerlplatz auch nach zuletzt fünf Slalomsiegen in Folge große Bedeutung. „Dass ich nicht nur im Ausland, sondern auch bei Heimrennen gut fahre, da fällt mir ein Stein vom Herzen“, erklärte der 28-Jährige. Vor seinem Auftritt hatte er sich in Kitzbühel rar gemacht, zum Medientermin war er mit dem Hubschrauber vom Training auf der Reiteralm gependelt. Dort habe sich bereits angedeutet, dass alles etwas schwerer falle als noch in den vergangenen Wochen, als er egal, ob Tag, Nacht, Nebel oder Sonne von Sieg zu Sieg geeilt war.
Sosehr Hirscher das hochwinterliche Kitzbühel freute, die Bedingungen waren nicht die seinen. Nach einer Woche mit beinahe täglich wechselnden Verhältnissen wurde zwar in einem weiteren Kraftakt – Rennchef Axel Naglich zufolge hätten sich bei den nächtlichen Pistenarbeiten „filmreife Szenen“ zugetragen – auch noch die Slalompiste rennfertig geschaufelt und gerutscht. Doch im Schneetreiben und auf einem von Jani Hladnik, Coach von Alexander Choroschilow, gesteckten tückischen Kurs, bei dem gleich 22 Läufer ausfielen, büßte Hirscher als Halbzeitdritter schon uneinholbare 1,05 Sekunden auf Kristoffersen ein. Fazit: „Kein leichter Tag, ich bin mit 80 Punkten zufrieden.“
Doppeltor oder Haarnadel?
Weil Michael Matt, Zweiter nach dem ersten Lauf, im Finale die Sinne einen Streich spielten und er ein Doppeltor für eine Haarnadel hielt („Klassisch verfahren“), hat Hirscher auch das beste österreichische Kitzbühel-Ergebnis 2018 eingefahren. Anders als im Vorjahr, als er hier seinen zweiten Slalomsieg feierte, gingen die Hahnenkammrennen heuer ohne Heimsieg zu Ende. „Ich bin bedingt zufrieden, wir waren in jedem Rennen auf dem Stockerl, das ist auch was“, meinte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel. Die rot-weiß-rote Ausbeute: Matthias Mayers dritter Platz beim norwegischen Super-G-Doppelsieg (Aksel Lund Svindal vor Kjetil Jansrud), Rang drei von Hannes Reichelt beim Sensationscoup des deutschen Abfahrers Thomas Dreßen und eben Hirschers Platz zwei. Nur die Norweger haben besser abgeschnitten.
Der 23-jährige Kristoffersen hält nun bei zwei goldenen Gämsen in Kitzbühel, er erklärte, vor allem im zweiten Lauf ein paar Mal „ganz am Limit“ gewesen zu sein. In dieser Saison war der Norweger bereits siebenmal auf Rang zwei und dreimal auf Rang drei zu finden, zu groß war Hirschers Übermacht. „Henrik war heute eine Klasse für sich“, meinte dieser. Der Annaberger hält weiter bei 53 Weltcupsiegen. Zumindest bis zum Nachtslalom am Dienstag in Schladming liegt Hermann Maier mit 54 Erfolgen noch voran.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.1.2018)