Fenninger ist eine begnadete Skifahrerin und eine echte Kämpfernatur. Die Salzburgerin ist immer schon unbeirrbar ihren Weg gegangen.
Beaver Creek/Wien. Anna Fenninger könnte sich nach der Ski-WM in Vail/Beaver Creek getrost zur Ruhe setzen. Sie ist 25 Jahre alt, hat mehr oder weniger schon alles gewonnen, was es in der alpinen Skiwelt so zu gewinnen gibt. Sie ist Gesamtweltcupsiegerin, sie ist Olympia-Siegerin, sie ist Weltmeisterin, war zuletzt in Österreich zweimal Sportlerin des Jahres. Viel mehr geht also gar nicht. Aber manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, die Salzburgerin aus Adnet ist mit Medaillen und Pokalen allein nicht glücklich zu machen. Anna Fenninger braucht mehr, um sich wohlzufühlen. Und nur dann ist sie auch in der Lage, Höchstleistungen zu erbringen.
Österreichs kleine Skifamilie in Colorado feierte, Anna Fenninger konnte gar nicht anders als mittendrin zu sein. Dabei ist sie eine, die den Trubel meidet. So gut es eben geht. Aber nach Gold im Super-G gab es kein Entkommen. Ein Foto da, ein Bild dort, auch eine Torte durfte nicht fehlen. Als einer der zahlreichen Gratulanten stellte sich auch Annemarie Moser-Pröll ein. Schon in jungen Jahren hat man Fenninger mit der Jahrhundertsportlerin aus Kleinarl vergleichen wollen. Viermal hatte Fenninger Gold bei Juniorenweltmeisterschaften gewonnen, die Zukunft schien alsbald gülden. Aber so schnell, wie sich das manche ausmalten, ging das nicht. Fenninger war noch nicht reif genug. Und auch mental noch nicht so weit, um die hohen Erwartungen, die die Öffentlichkeit in sie setzte, erfüllen zu können. Olympia 2010 in Vancouver kam daher viel zu früh.
Wer Siege auskosten will, der muss erst lernen, mit Niederlagen umzugehen. Und sie auch zu verdauen. Anna Fenninger hat das rasch begriffen, dabei aber niemals ihren Weg verlassen. Sie kann manchmal eigen sein, vielleicht auch stur – der Erfolg gibt ihr jedenfalls restlos recht. Auch das Verhältnis zum ÖSV ist nicht immer ungetrübt. „Ich sage oft meine Meinung“, sagt Fenninger. „Und die wird nicht immer von allen geteilt.“ Das mag auch mit ihrem deutschen Manager zu tun haben. „Der Verband hat Vor- und Nachteile – da muss man die Balance finden.“ Zuletzt hat es rund um die Weihnachtsfeiertage Aufregung um einen möglicherweise neu abzuschließenden Sponsorenvertrag gegeben. Mit einer Autofirma, auf die der Verband nicht abfährt.
Die Vertrauenspersonen
Anna Fenninger spricht immer wieder von ihren Lehr- und Lernjahren. „Für gewisse Sachen muss man eben kämpfen“, erklärt die Salzburgerin. „Wenn ich es mir immer leicht machen würde, dann wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.“
Unterstützung privater Natur widerfährt ihr von ihrem Partner Manuel Veith. Ein ehemaliger Snowboarder, der erahnen kann, was es bedeutet, Spitzensportler zu sein. Er war schon bei Olympia 2014 in Sotschi mit dabei, darf auch in Colorado nicht fehlen. Fenninger braucht ihn. Ebenso ihren Mann des Vertrauens auf der Piste – Meinhard Tatschl.
Früher wäre Anna Fenninger bei widrigen Bedingungen Gefahr gelaufen, die nötige Ruhe zu verlieren. Im WM-Super-G hatte sie das Glück der Tüchtigen. Wobei sie zugab: „Es war natürlich Wahnsinn, dass das Rennen wegen der Fairness überhaupt gefahren wurde.“ Aber wer Gold in der Tasche hat, der braucht darüber nicht weiter zu grübeln. Und wenn ein österreichischer Trainer den Kurs ausflaggt, dann braucht man sich offenbar überhaupt keine Sorgen zu machen. Denn seit 2010 gab es auf den Super-G-Kursen, die von ÖSV-Coaches gesteckt wurden, durchwegs Gold. Fenninger besitzt nun in Abfahrt, Kombination und Riesentorlauf noch drei Medaillenchancen. Sie sagt: „Ich bin bereit für mehr!“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2015)