Von Loipen und ewigen Sackgassen

Ein weiter Weg, aber Österreichs Langlauf steht bei der WM in Seefeld erneut auf dem Prüfstand.
Ein weiter Weg, aber Österreichs Langlauf steht bei der WM in Seefeld erneut auf dem Prüfstand.APA/AFP/JOE KLAMAR
  • Drucken

Bei der Heim-WM gibt es keine ÖSV-Damen-Staffel. Doch die erfrischende Ehrlichkeit, mit der ÖSV-Direktor Gandler aufwartet, macht Hoffnung auf neue, bessere Nachwuchskonzepte.

In Seefeld herrscht Bewegung, an allen Ecken und Plätzen wurde am Mittwoch noch geschraubt, geputzt oder wurden Stände aufgestellt. Ehe die 52. nordische WM in den Tiroler Bergen heute mit dem Langlaufsprint anheben kann, wurden alle Arbeiten mit Bravour gemeistert – das Idyll ist bereit für 200.000 WM-Gäste und 22 Bewerbe.

Natürlich, jedem Event eilt eine mehr, in Seefelds allerdings eher weniger pompöse Eröffnung voraus. Und, Athleten schildern ihre Ziele, Eindrücke. Dass Österreichs Skispringer, Kombinierer und Langläufer das in plüschiger Casinoatmosphäre tun, animiert zum Nachdenken. Sport ist ja immer auch vom Glück abhängig, in Österreich ganz besonders; zumindest fließt das Gros der Sportförderung per Gesetz aus Glücksspieleinnahmen.

Bitter: Keine Damen-Staffel

Was ist zu erwarten von der WM in Seefeld? Eine Medaillenflut ist ausgeschlossen, ein WM-Titel wäre eine große Überraschung – es werden Einzelerfolge sein, Medaillen im Team- und im Mixed-Bewerb der Springer und Kombinierer. Und die Langläufer? Bis auf Teresa Stadlober sind Medaillenchancen absolut utopisch. Auch ist eine Damen-Staffel bei der Heim-WM nicht am Start, in Ermangelung aussichtsreicher Läuferinnen. Das ist eine herbe Enttäuschung, daraus machte auch ÖSV-Direktor Markus Gandler kein Hehl.

Der Tiroler, 52, war einst selbst Teil der Gold-Staffel von Ramsau 1999. Er gewann Olympiasilber, seit 2003 sieht er in Loipen und an Schießständen nach dem Rechten. Dass Österreich im Langlaufweltcup hinterherläuft, schmerzt. Auch im Breitensport fehlen Impulse und Ideen, selbst in Seefeld blieben Loipen viel zu oft unbenützt. Die WM könnte das ändern, Erfolge wären dafür die Triebfeder.

Gandler sagt, erstaunlich offen, dass Höhenflüge, wie sie Stadlober vorlebt, jedoch bloß Folge von Einzelinitiativen und nicht dem ÖSV-Verbandssystem entsprungen seien. Und: „Da ist mir in 15 Jahren als Sportlicher Leiter viel zu wenig gelungen, dass wir bei einer Heim-WM nicht mit mehr dastehen, die auch in die Top Ten, 15 kommen können.“ Dass nur zwei Damen und sieben Herren die Norm erfüllen, sei eine ernüchternde Bestandsaufnahme.

Einzelzellen, nicht das System

Einzelzellen beleben Österreichs Sport, nein: Sie halten ihn generell am Leben. Ob Tennis (Thiem), Schwimmen (Rogan, Jukić), Eishockey (Vanek), Ski (Hirscher) – es sind Einzelne, die zwar dem System entspringen, aber sofort eigener Wege ziehen, ihre Karriere und Ziele in Eigenregie (und dank Verbandsgelder) verwirklichen. Im Langlauf fehle das, auch, weil aus dem Nachwuchsbereich zu wenig bis nichts nachdränge. Abhilfe könnte das Konzept von Nachwuchskoordinator Trond Nystad schaffen. Abwarten.

Am Beispiel der Langlauf-Damen offenbare sich das wahre Dilemma. Ausfälle von Nathalie Schwarz und Anna Seebacher hätten das Team prompt halbiert, passenden Ersatz gibt es nicht. Wer aller in Seefeld starte, sei das, was Österreichs Langlauf derzeit im Spitzensegment zu bieten habe. Es ist ein dezimiertes Feld. Bis auf Stadlober, zuletzt verkühlt und darob keinesfalls mehr eine Podestanwärterin wie noch bei den Winterspielen 2018 in Südkorea, ist Top-Ten-Potenzial illusorisch. Für manche zu früh, für viele ein zu hohes Ziel – Gandler nickte. Und wirkte besorgt. Vor der WM wollte er Erfreulicheres erzählen.

Propheten im eigenen Land zählen nichts, darum erhielt der Norweger Nystad volle Kompetenzen im Ausbau der Nachwuchsbereiche. Konzept und Ideen lägen vor, an 13 Stützpunkten sollen Talente gesucht, geschult und gebündelt nach einer Richtlinie mit ihren Trainern betreut werden. 400 Kinder, sagt Gandler, würden bereits damit sehr gezielt begleitet.

Vorbilder und neue Ideen

Dass es so viele sind, habe ihn jedoch überrascht. Die Bewegung befinde sich im Rückzug, neben dem zündenden Interesse in den eigenen vier Wänden fehlen Programme, im in Österreich von vergangenen Dopingfällen geplagten Langlauf Vorbilder und langfristige Perspektiven. Auch dauert der Werdegang bis zum Weltcupläufer Jahre, gar ein Jahrzehnt. Es hat den Anschein, als würden die Loipen in Österreich immer in einer Sackgasse enden. Und immer wieder neu anfangen, weil ein Ereignis oder Ausnahmekönner doch Werbung gemacht hat. Darum wäre es wichtiger denn je, wäre die Seefeld-WM ein Erfolg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.