Der große Hörspielpreis geht an: Christian Hoffmann

Die Qualität des neuen Nada-Geschäftsführers wird verdeutlichen, ob der Antidopingkampf fortgesetzt oder Populisten geopfert wird. Die Wahl liegt bei Norbert Darabos.

Es geht um grenzenloses Sehnen, Lösung von irdischen Zwängen, Unabhängigkeit von mächtigen Sportverbänden, Unbelästigtsein von Krähwinkelmedien, Dummheit und Machismo. Die Nationale Antidopingagentur Nada ist der Schauplatz, auf dem der Sportler sein Streben nach Größe und die Versuchung von teuflischen Pakten abhandelt. Derzeit steht ein publikumswirksames, geradezu ein Volksstück auf dem Spielplan. Der Geschäftsführer und die von ihm zusammengestellte Rechtskommission wurden auf Druck des Sportministers Norbert Darabos abberufen.
Es geht darum, das Image des Antidopingkampfes zu retten, sagen sie. Der Sport hat einen Sieg errungen, bläst sich der ÖSV auf. Köpfe rollen, und das Volk postet und bloggt „Hurra".

Niemand stellt die Frage: Geht das überhaupt? Darf die Politik ein unabhängiges Gremium auflösen oder auflösen lassen? In Österreich kann es im Jahr 2012 tatsächlich geschehen, dass ein Handyprotokoll des in erster Instanz wegen vier Dopingvergehen zu sechs Jahren Sperre verurteilten Dopingbetrügers Christian Hoffmann dazu führt, die unabhängige Rechtskommission der Nada auf Druck eines Politikers abzuberufen.

Gibt es das Hörspiel überhaupt, dessen Protokoll auszugsweise veröffentlicht wurde? Niemand hat den Originalton der Aufnahme gehört oder gar geprüft. Wurde das Transkript bearbeitet? Wenn ja, von wem und mit welchem Ziel? Betroffene behaupten, die veröffentlichten Zitate seien so nicht gefallen, und man werde sich dagegen zu wehren wissen. Ließ Darabos tatsächlich, wie der Medienpartner des ÖSV schreibt, Verfahren der Nada-Rechtskommission stoppen? Seit wann kann ein Minister in laufende Verfahren unabhängiger Kommissionen eingreifen? Hoffmann, der die unseriöse Verhandlungsführung der Nada aufzeigen wollte, ist es zu danken, dass über die Nada diskutiert werden muss. Allerdings anders als Hoffmann, der sich durch seinen Trick „Rückenwind" bei der Berufungsverhandlung erhofft, es beabsichtigt hat.

Dopingverfahren müssen ab sofort öffentlich ablaufen, wie Mordprozesse, bei denen es um viel mehr geht als um den Konsum oder die Weitergabe von EPO. Dann könnte die Öffentlichkeit die Argumente und Beweismittel tatsächlich beurteilen und Hoffmann und andere könnten sich nicht hinter der Verschwiegenheit verstecken und ihre eigene Version des Verfahrens nachträglich inszenieren. Statt sich auf eine Handyaufnahme zu berufen, hätte Hoffmann einfach die Verhandlungsprotokolle freigeben können.

Mit der Vertschüssung der Rechtskommission verliert der Antidopingkampf in Österreich hoch spezialisierte, international vernetzte Fachleute. Sie werden auf absehbare Zeit nicht zu ersetzen sein. Ihre Urteile haben gehalten. Kommt der neue Nada-Chef aus dem heimischen Sport-Filz, bringt er unweigerlich parteipolitische oder Verbandsinteressen mit. Ein ethisch noch so hoch qualifizierter Fachmann von außerhalb braucht Jahre, um sich das für die Beurteilung von Dopingvergehen notwendige Fachwissen anzueignen.

Darabos braucht aber presto einen glaubwürdigen Hauptdarsteller für sein Antidopingstück, eine Persönlichkeit, die dem Mob in den Internat-Foren und den mächtigen Verbänden entgegentritt. Sonst dekuvriert sich sein politischer Gestaltungswille als Tragödie und das Lied von der Sauberkeit gliche einer alten, halb verklungenen Sage.

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Siehe auch johannskocek.com

E-Mails an: sport@diepresse.com

("Die Presse", Printausgabe vom 2. April 2012)

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