Eizellen einfrieren, Karriere befreien?

Symbolbild Frau vor dem Computer
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Apple und Facebook bezahlen Mitarbeiterinnen dafür, später Kinder zu bekommen. Damit drückten sie sich davor, familienfreundlichere Arbeitsplätze zu schaffen, sagen Kritikerinnen.

Washington. Erst kam Kim Kardashian, dann eine Flut enthusiastischer Medienberichte, nun sind auch Apple und Facebook aufgesprungen: Immer mehr alleinstehende Amerikanerinnen in ihren Dreißigern lassen ihre Eizellen einfrieren, um eine mögliche Schwangerschaft auf später zu verschieben.

Am Dienstag berichtete der Fernsehsender NBC News, dass die beiden Internetkonzerne ihren Mitarbeiterinnen bis zu 20.000 Dollar (15.800 Euro) für die Entnahme sowie das Einfrieren und Lagern von Eizellen bezahlen. Facebook bietet dies seit Anfang des Jahres an, Apple wird dies für alle Dienstverhältnisse ab dem kommenden Jahr tun.

Jungmütter werden älter

In den USA steigt, wie in allen Industriestaaten, das durchschnittliche Alter von Müttern bei der Geburt ihres ersten Kindes (von 21 Jahren vor vier Jahrzehnten auf heute 26 Jahre) ebenso stetig wie die Zahl der Frauen, die kinderlos bleiben. In den Jahren 2000 bis 2012 ist die Zahl der Frauen, die erst nach ihrem 35. Lebensjahr Mütter werden, in 46 der 50 US-Staaten gestiegen – mancherorts um mehr als 40 Prozent. Besonders spät werden Amerikanerinnen mit Hochschulabschluss und anspruchsvollen Karrieren Mütter; auch diese Erfahrung kennen österreichische Frauen. Und am härtesten ist es vermutlich für Frauen in der männerdominierten Arbeitswelt von Silicon Valley; man führe sich die dort vorherrschende Sichtweise anhand des Beispiels von Marissa Mayer vor Augen, der Vorstandschefin von Yahoo, die sich dafür kritisieren lassen musste, bei Antritt ihres Mandats im Juli 2012 hochschwanger gewesen zu sein.

Episoden wie jene der Klatschspaltenberühmtheit Kardashian, die in ihrer Fernsehsendung bekannt gab, Eizellen einfrieren zu lassen, um das laute Ticken der biologischen Uhr ausschalten zu können, suggerieren, diese Technologie verschaffe Frauen Autonomie über ihre Berufsplanung. Im April betitelte „Bloomberg Businessview“ eine Geschichte über Karrierefrauen, die sich dazu entschlossen hatten, mit „Freeze your eggs, free your career“.

Eizellen einfrieren, Karriere befreien? Seema Mohapatra, eine Medizinrechtsexpertin an der Barry University, Florida, warnt vor diesem Trugschluss. Wenn eine Frau ihre Eizellen einfriert und erst Jahre später beschließt, sie befruchten zu lassen, verschiebt sie damit Probleme der Kinderbetreuung und Vereinbarkeit mit dem Arbeitsalltag bloß, ohne sie zu lösen. „Wir sollten das Eizelleneinfrieren nicht als Wundermittel sehen, das die Notwendigkeit beseitigt, die Geschlechterungleichheiten anzusprechen, die Frauen dazu zwingen, zwischen Kind und Karriere zu wählen“, schreibt Mohapatra in der Augustausgabe der „Harvard Law and Policy Review“. „Nach dem Zeitaufschub werden sie noch immer Arbeitsplätze brauchen, die Karenzzeit und flexible Arbeitszeiten ermöglichen. Sie werden verlässliche, sichere Kinderbetreuung brauchen. Und sie werden noch immer die Kindererziehung mit jemandem teilen müssen.“

Zweifelhafte Personalpolitiken

Der Verdacht drängt sich auf, dass es Facebook und Apple weniger um die Lösung eines sozialen Problems als um die Schönung ihres bisweilen problematischen Bildes als Arbeitnehmer geht. Im August zum Beispiel lehnte eine Richterin in Kalifornien die Einigung zwischen Google, Apple und zahlreichen anderen Silicon-Valley-Konzernen und 64.000 aktuellen und früheren Mitarbeitern ab, mit der der Streit um ein Kartell beigelegt werden sollte, im Rahmen dessen die Unternehmen sich darauf einigten, sich gegenseitig keine Arbeitnehmer abzuwerben. 324 Millionen Dollar Schadenersatz für entgangene Verdienstmöglichkeiten seien zu wenig, befand die Richterin. Beobachter vermuten, dass die endgültige Einigung einen Milliardenbetrag umfassen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2014)

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