Alles Erdreich ist Österreich untertan

Österreich auf dem Weg zur Weltmacht. Noch ist Frankreich keine Gefahr. Außer für Afrika.
Österreich auf dem Weg zur Weltmacht. Noch ist Frankreich keine Gefahr. Außer für Afrika.(c) Archiv
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Der Strategie-Hammer "Europa Universalis 4" erfüllt dem geschickten Größenwahnsinnigen alle Herrschaftsträume. Und kann auch als Geschichtsstunde mit dramatischer Musik fungieren.

Potenzielle Weltherrscher haben den Computer schon früh für sich entdeckt und spätestens seit „Sid Meier's Civilization“ ist die Unterwerfung des Planeten durch Kultur, Religion oder schiere Gewalt zu einem eigenen Subgenre im Strategiebereich geworden.

Aber „Europa Universalis“ vom schwedischen Studio Paradox spielt in einer eigenen Liga. Wer das Ding zum ersten Mal startet, ist durchaus geneigt, den PC aus dem Fenster zu werfen und die Sache mit der Weltherrschaft doch in der echten Welt anzugehen – so überwältigend und einschüchternd wirkt der Strategietitel auf den ersten Blick. Dass die vierte Ausgabe von „Europa Universalis (EU4)“ unter Kennern als das „zugänglichste“ Spiel der Paradox-Schmiede gilt, tröstet da kaum.


Weg als Ziel. Aber dranbleiben lohnt sich! „EU4“ wird im Juni durch das bisher sechste Add-on weiter ausgebaut und erfreut sich auch im dritten Jahr seiner Existenz bei den Fans enormer Beliebtheit – mit gutem Grund. Die Lernkurve mag am Anfang unbezwingbar erscheinen, aber bei „EU4“ ist der Weg das Ziel. Der potenzielle Potentat startet (sofern keiner der enorm vielfältig vorhandenen Mods geladen ist) im Jahr 1444 und kann das von ihm gewählte Land bis 1821 leiten – oder eben so lange, bis Frankreich anklopft und den Spieler von der Karte tilgt, was durchaus häufig vorkommt. Aber jede Niederlage ist eine Lektion, die im nächsten Anlauf (und den gibt es bestimmt) helfen kann. Außer Frankreich kommt mal wieder. Dann hilft nur noch beten – und auch das nur bedingt.

Aber keine Angst! Auch Frankreich ist nicht unbesiegbar – und obwohl das Spiel mit seinen vielen verschiedenen und auf die Nationen angepassten Ereignissen durchaus auch als Ersatzgeschichtsstunde mit dramatischer Musik herhalten könnte, entwickelt sich jeder neue Anlauf garantiert anders als der vorangegangene. Dass 1821 Schluss ist, stört auch nicht wirklich. Denn Paradox legt seine Spiele streng nach Epoche aus. Vor „EU4“ spielt „Crusader Kings 2“, in dem das feudale Europa simuliert wird. Und danach kommen „Victoria2“ und „Hearts of Iron“, die (Überraschung!) die Viktorianische Ära und den Zweiten Weltkrieg abdecken.

Diese Spiele haben aber einen Nachteil: Anders als bei „EU4“, das ja 1444 startet, steht die Zukunft für das gute alte Österreich unter keinem guten Stern. Bei „EU4“ kann ein jeder den Habsburgern zeigen, wie man die Erde Österreich tatsächlich untertan macht. Denn das kleine und angenehm weiß eingefärbte Land startet mit einer großen Armee, relativ viel Geld und vor allem: mit der Kaiserkrone. Und das Heilige Römische Reich, das ja bekanntlich weder heilig, noch römisch, noch je ein Reich war, ist durch ein Mini-Game in das Spiel eingebunden. Wer als Wiener Kaiser seine Kinder geschickt verheiratet, kann bald Burgund, Böhmen und Ungarn in Personalunion regieren.


Einmal Frankreich sein. Dann kann nur noch Gott (oder Frankreich) den weiteren Aufstieg der virtuellen Habsburger bremsen. Wer geschickt vorgeht und sich bei der Unterwerfung Bayerns nicht allzu viele Feinde macht, kann eine Reichsreform nach der anderen durchdrücken – zum Wohle aller im Reich, versteht sich. Am Ende kann man dann alle versprengten Gebiete des Reichs in einer Zentraleuropäischen Großmacht vereinen. Das gibt einem dann endlich die Chance, Frankreich wirklich etwas entgegenzusetzen. Oder man tut sich das erst gar nicht an– und startet selbst als König in Paris.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2015)

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