Spezialkamera erkennt Bewegung aber keine Gesichter

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit einem in Österreich entwickelten Sensor können Menschenmengen beobachtet werden, es werden aber keine Bilder aufgenommen. Das System wird bereits eingesetzt.

Einen neuen Zugang zur Erfassung von bewegten Objekten verfolgen Wissenschafter des Austrian Institute of Technology (AIT). Sie haben Sensoren entwickelt, die - ähnlich wie die Sehzellen von Menschen und Tieren - auf relative Veränderungen von Lichtverhältnissen reagieren. Im Gegensatz zu Kameras entstehen dabei aber keine Bilder. Das System wird bereits bei Großevents zur Erfassung von Besucherströmen und in der Sicherheitsüberwachung eingesetzt. Auch an Anwendungen in der Brandbekämpfung oder im Gesundheitsbereich wird gearbeitet.

"Wir haben in den letzten Jahren eine spezielle Technologie entwickelt", so Ahmed Nabil Belbachir vom AIT-Department für "Safety and Security". Bei dem "dynamischen, optischen Sensor" handelt es sich um keine Kamera im herkömmlichen Sinn, da das Gerät keine Bilder produziert. Der "Universal Counting Sensor - UCOS" erfasst zwar visuelle Reize, folgt aber einem anderen Konzept, das auf dem Prinzip der Verarbeitung optischer Informationen in der Biologie beruht.

Wie die Sehzellen von Menschen und Tieren reagiert der Sensor auf jegliche Veränderung der Lichtintensität - also des Kontrastes -, um die Szenerie zu erfassen. "Am Schluss habe ich dann Kanteninformationen", also die Konturen oder Silhouetten der bewegten Objekte, so der Forscher. Dadurch lässt sich dann darauf schließen, ob es sich um Bewegungen von Tieren, Menschen oder etwa Autos handelt.

Minimale Datenmengen

Das Verfahren erzeugt nur dann Daten, wenn sich in seinem Aufzeichnungsbereich auch etwas tut - ein großer Vorteil gegenüber Bildaufzeichnungen mit Kameras, da keine unnötig großen Datenmengen entstehen. Aufgrund dessen seien die Sensoren einerseits energiesparender, andererseits brauche man auch weniger Rechenleistung für die Verarbeitung der Daten. Das System könne daher mit kleineren und billigeren Prozessoren arbeiten, man müsse "keinen großen Rechner danebenstellen".

Im Hinblick auf den Datenschutz und ethische Aspekte habe UCOS entscheidende Vorteile, da "man die Personen gar nicht sehen und identifizieren kann", so Belbachir. Es sei daher gut geeignet, um Bereiche zu überwachen, in denen sich Personen oder Fahrzeuge bewegen, die nicht identifiziert, sondern registriert werden sollen. Auch in technischer Hinsicht würden sich Vorteile ergeben, da normale Kameras oft Probleme mit der dynamischen Aufzeichnung von Lichtveränderungen hätten. Das menschliche Auge nimmt verschiedenste Lichtintensitäten vom Mond- bis zum Sonnenlicht, also von 0,1 bis über 100.000 Lux, wahr - auch UCOS funktioniere in allen Bereichen gleich gut. Belbachir: "Man kann keine Kamera finden, die dieses große Spektrum abdecken kann".

Um das Geschehen auch dreidimensional wahrnehmen zu können, braucht UCOS die Aufnahmen zweier nebeneinanderliegender Sensoren. Aus den kleinen Unterschieden, die die etwas anderen Perspektiven mit sich bringen, wird - wie bei der optischen Verarbeitung in unserem Gehirn - die Tiefeninformation errechnet. So könne das System auch Probleme wie Schatten oder Verdeckungen besser managen.

Einsatz bei EM 2008 und Life Ball

UCOS erkennt auch extrem schnelle Bewegungen, darum wird es vor allem im Bereich der Mobilitäts- und Verkehrserfassung eingesetzt. "Man kann damit zählen, die Geschwindigkeit messen oder klassifizieren, um welche Art von Fahrzeug es sich handelt." Im Rahmen der Fußball Europameisterschaft 2008 waren die Sensoren Teil eines Kooperationsprojekts des AIT mit den Wiener Linien, bei dem die Anzahl der Fahrgäste in der U2-Station "Stadion" registriert wurde. So können bei großem Andrang die Bahnsteige entlastet werden. Auch auf dem Life Ball zählt man mit Hilfe von UCOS die Besucher. In Zukunft setzen sich die Forscher mit Einsatzmöglichkeiten in autonom agierenden Robotern auseinander, die die Feuerwehr bei der Brandbekämpfung unterstützen. Außerdem könnte man mit der Technologie Stürze älterer Menschen in Wohnungen oder Heimen automatisch erkennen.

(APA)

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