3D-Drucker: Erst ausdrucken, dann abdrücken

3-D: Erst ausdrucken, dann abdrücken
3-D: Erst ausdrucken, dann abdrücken(c) Forbes
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Die erste Pistole aus dem 3D-Drucker schießt. Der Bauplan soll bald im Internet zu finden sein. Das Projekt eines Texaners ruft Regulatoren auf den Plan. Die 3D-Bastlerszene fürchtet um ihre industrielle Revolution.

Wien. Mit einem Mausklick zur eigenen Pistole: In Texas (wo sonst?) wurde am Wochenende die erste funktionsfähige Handfeuerwaffe aus dem 3D-Drucker vorgestellt. Der Mann hinter dem verstörenden Projekt ist Cody Wilson. Der 25-jährige Jusstudent aus Texas hat vergangenen August damit begonnen, Waffen für jedermann zu basteln. Sein jüngster Erfolg heißt treffenderweise Liberator und besteht gerade einmal aus 16Teilen. 15 davon kommen aus einem Statasys Dimension SST 3D-Drucker. Nur ein Metallnagel ist noch als Schlagbolzen notwendig. Den Bauplan für die erste Do-it-yourself-Waffe zum Herunterladen will Wilson schon bald ins Internet stellen.

Der Mittzwanziger beschreibt sich selbst als Krypto-Anarchist. Mit seiner Non-Profit-Organisation Defense Distributed verfolgt er ein klares Ziel: Wer will, soll sich seine eigene Waffe ausdrucken können. Das sei die extreme, aber logische Konsequenz der Informationsfreiheit, die das Internet versprochen habe. Zumindest legal ist sein Projekt allemal. Und sonderlich teuer ist die Aufrüstung der Massen auch nicht. Der Statasys-Drucker kostet 8000 Dollar bei eBay, jede einzelne Waffe nur noch wenige Cent.

Leistbare 3D-Drucker für jedermann

Die Schreckensvision einer Armee an Menschen mit Plastikpistolen aus dem Drucker ruft Regulatoren auf den Plan, die der neuen Technologie zu Leibe rücken. Schon die Blaupausen von Wilsons bisherigen Versuchen sind auf politischen Druck schnell wieder aus dem Internet verschwunden.

Genau hier sind wir aber bei der Gretchenfrage angelangt, die Politiker generell im Umgang mit 3D-Druckern zu lösen haben: Sollen sie der neuen Technologie enge Fesseln anlegen und damit auch Innovation hemmen? Oder sollen sie ihr freien Lauf lassen, auf die Gefahr hin, dass die Menschen unkontrolliert tödliche Waffen ausdrucken?

Im Grunde sind 3D-Drucker nichts bahnbrechend Neues. Seit über einem Vierteljahrhundert können Menschen nicht nur Buchstaben und Zahlen, sondern auch Gegenstände drucken. Die Industrie erfand die Technologie einst, um Blaupausen vom Computer schnell in Prototypen gießen zu können. Heute arbeiten die Unternehmen am Einsatz der 3D-Drucker in der Massenproduktion. Das würde die bisherige Ordnung in der Fabrikation auf den Kopf stellen. Die Herstellung von Waren könnte lokal erfolgen, die Auslagerung von Werken in Asiens Billiglohnländer würde an Reiz verlieren. Zehn bis 30 Prozent der Güter im Computer-, Metall- und Maschinenbaubereich, die die USA derzeit aus China importieren, könnten im Jahr 2020 zu gleichen Kosten in den Vereinigten Staaten gefertigt werden, errechnete die Boston Consulting Group.

Die eigentliche Revolution der 3D-Drucker passiert aber nicht in den Fabrikshallen der Konzerne, sondern in den Hobbykellern und Wohnzimmern der Konsumenten. Und genau davor haben viele Unternehmen Angst. Seit 3D-Drucker von Firmen wie MakerBot oder RepRap schon um 500 bis 3000 Euro zu haben sind, ist eine Szene enthusiastischer Hobby-Industrieller entstanden. Auch wer sich keinen eigenen Drucker leisten will, kann mitmachen. In 3D-Copyshops kann man sich seine Werke zum Kubikzentimeterpreis ausdrucken lassen.

Die meisten Drucker für den Heimgebrauch funktionieren ähnlich. Schicht um Schicht wird entweder Pulver aufgetragen oder Thermoplastik ausgehärtet. Längst träumt die Bastlerszene von einer dritten industriellen Revolution. Dabei geht es ihnen nicht mehr darum, fehlende Spielfiguren oder kaputte Handycover zu ersetzen. Sie wollen die Produkte der Konzerne nur noch als Blaupause nehmen, für jedermann zum Verbessern freigegeben. Schon heute kursieren auf Seiten wie Thingiverse digitale Blaupausen für alle möglichen Produkte im Netz. Wer hier nicht fündig wird, scannt das gewünschte Objekt einfach mit einem 3D-Scanner.

Unternehmen fürchten Produktpiraterie

Genau das bereitet den Unternehmen Kopfzerbrechen. Der Produktpiraterie werde Tür und Tor geöffnet, argumentieren sie. Erste Klagen wegen der Verletzung von Markenrechten haben sich Besitzer von MakerBots bereits eingehandelt. Wenn das Internet nicht nur Hollywoodfilme und Hello-Kitty-Figuren, sondern auch tödliche Waffen zum Herunterladen bietet, ist der Ruf nach mehr Regulierung verständlich. Ob strenge Regeln für 3D-Drucker selbst gebastelte Waffen aber verhindern können, ist mehr als fraglich.

Cody Wilson hat unterdessen ganz andere Probleme zu lösen. Noch ist seine Plastikwaffe nämlich sehr unsicher und gefährlich für den Nutzer. Bei der Pressevorführung in Austin verwendete er eine Reißleine, um den Abzug aus sicherer Entfernung zu ziehen. Zum Glück. Denn ein Versuch scheiterte. Eine Fehlzündung zerfetzte die Waffe in tausend Stücke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2013)

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