Das Auto der Zukunft: Fahren oder fahren lassen

Maximal 40 Kilometer in der Stunde dürfen die Google-Autos fahren. Unfallfrei schaffen sie ihre Strecken dennoch nicht immer.
Maximal 40 Kilometer in der Stunde dürfen die Google-Autos fahren. Unfallfrei schaffen sie ihre Strecken dennoch nicht immer.(c) APA
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Googles selbstfahrende Autos brauchten 341-mal menschliche Hilfe auf der Straße. Langfristig werden Computer aber sicherer als wir lenken.

Mountain View/Wien. Sechs Jahre, etliche Millionen Kilometer und ein gutes Dutzend vollkommen unverschuldeter Blechschäden. So lautete die erfreuliche Bilanz der selbstfahrenden Autos der Google-Mutter Alphabet bisher. Schön langsam wurde klar: Wer sicher fahren will, übergibt besser Google das Steuer. Spätestens 2020 sollten die fahrerlosen Autos straßentauglich sein.

Jüngste Daten, die der Konzern der kalifornischen Straßenverkehrsbehörde vorlegen musste, bremsen diese Euphorie etwas. Demnach mussten die menschlichen Beifahrer dem Computer hunderte Male das Steuer aus der Hand nehmen. Zwischen September 2014 und November 2015 übernahmen die Ingenieure 341-mal die Kontrolle.

Nur 13-mal hätte es gekracht

Das klingt allerdings dramatischer, als es ist. Immerhin spulten die eiförmigen Zweisitzer in der Zeit 681.000 Kilometer ab. In 272 Fällen bestand zudem keine direkte Unfallgefahr, beteuerte Projektleiter Chris Urmson in einem Blogeintrag. Das Programm selbst meldete einen Absturz einzelner Bauteile wie etwa des Kommunikationssystems und übergab so zur Sicherheit an den Beifahrer. Googles Autos fahren eher konservativ. Erst seit wenigen Monaten sind sie in Kalifornien und Texas auch im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs. Die Geschwindigkeit ist mit 40 Kilometern in der Stunde begrenzt. Springt die Ampel auf Grün um, wartet das Auto 1,5 Sekunden, weil in dieser Zeit besonders viele Unfälle passieren.

In 69 Fällen entschieden die Ingenieure dennoch von sich aus, den Computer zu stoppen, weil sie befürchteten, dass das Programm in einer heiklen Situation die falsche Entscheidung treffen würde. Die Testfahrten wurden daraufhin stets abgebrochen und im eigenen Fahrsimulator fortgesetzt.

Das Resultat: In 13 Fällen hätten die Google-Autos tatsächlich einen Unfall verursacht. Im Schnitt wäre das ein Unfall pro 119.000 Kilometer. Deutlich schlechter als der durchschnittliche amerikanische Autofahrer, der alle 383.000 Kilometer einen Unfall verursacht. Vergleichbare Daten zu Österreich gibt es nicht.

Wirklich bremsen werden diese Zahlen die Entwicklung hin zum fahrerlosen Auto freilich nicht. Neben Google arbeiten nahezu alle namhaften Automobilhersteller an fahrerlosen Modellen. Die meisten planen, in den kommenden fünf bis zehn Jahren in Serie gehen zu können. Eine abgespeckte Version findet sich schon heute in vielen Modellen der gehobeneren Klasse. Die Software der neuen Mercedes-S-Klasse hat bereits 15-mal mehr Zeilen Programmcode als die Software der Boeing 787. Automatische Abstandsmesser, Lenkassistenten oder Einparksysteme gehören längst zum guten Ton.

Komplett fahrerlos dürfen die Vehikel ohnedies noch nicht unterwegs sein. Noch sind zu viele Fragen offen: Wen trägt die Schuld, wenn es einen computergenerierten Unfall gibt? Wer bezahlt? Und wie lang müssen die Computer bewiesen haben, dass sie besser als die Menschen fahren?

„Das schafft keiner allein“

Dass die Software in den Autos den menschlichen Lenkern irgendwann überlegen sein wird, scheint zwar sicher. Doch die Sache dürfte komplexer sein als anfangs gedacht. So sucht auch Google Partner aus der Autobranche für die Entwicklung der selbstfahrenden Vehikel. „Das schafft keiner allein“, sagte John Krafcik, Chef der Google-Sparte für autonomes Fahren auf der Automesse Detroit.
Ein baldiges Ende aller Unfälle dürfe sich niemand erwarten, warnte Google-Gründer Sergej Brin schon vor Monaten: „Das perfekte Auto gibt es nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2016)

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