Virtuelle Welten erst im Entstehen

Virtual Reality wird kein Senkrechtstarter.
Virtual Reality wird kein Senkrechtstarter.(c) Bloomberg (Chris Ratcliffe)
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Virtual Reality wird die Unterhaltungsbranche in den kommenden Jahren maßgeblich verändern. Doch bei den VR-Brillen sollte man nicht zwingend in der allerersten Reihe stehen.

Virtual Reality ist großartig. Die neue Technologie hat unbestritten das Potenzial, die Entertainment-Branche gehörig auf den Kopf zu stellen. Die Art, wie wir mediale Inhalte konsumieren, wird sich grundlegend ändern. Aber zum jetzigen Zeitpunkt mehrere Hundert Euro in eine Brille zu investieren, ist gewagt.

Die erste Generation an VR-Brillen, die nun allmählich den Markt erreicht hat, ist noch weit davon entfernt, perfekt zu sein. Es gibt sechs Gründe, derart tief für ein Proof-of-Concept-Gerät in die Tasche zu greifen. Im Smartphone-Bereich ist man mittlerweile im 2-K-Bereich (1440 x 2560 Pixel) angelangt. Sony hat mit dem Xperia Z5 Premium auch bereits ein 4-K-Smartphone auf dem Markt. Setzt man dann eine Virtual-Reality-Brille auf, glaubt man auf einen Bildschirm durch ein Fliegengitter zu sehen. Scharfe, knackige Bildwiedergabe sucht man noch vergeblich.

Im Vergleich zu den ersten Prototypen konnten Unternehmen wie Oculus und HTC massive Verbesserungen vornehmen, aber der geringe Abstand zwischen Augen und Bildschirm lässt jedes Pixel gnadenlos erkennen. Virtual Reality braucht ultrahochauflösende Displays und entsprechende Computerleistung. Beides keine günstigen Posten auf der Wunschliste.

Unter ferner liefen. Bei der Hardware kann man einzelne Schwächen ausmachen. Bei dem Thema Inhalte stehen die Anbieter noch auf verlorenem Posten. Es verhält sich ähnlich wie mit Sonys Xperia Z5 Premium. Die Technologie ist bereit, aber die 4-K-Inhalte fehlen noch. Das Spiele- und Entertainment-Angebot ist überschaubar.

Hier gilt als vielversprechendster Anbieter noch Sony mit der Playstation VR. Es gibt zwar eine Zwangsanbindung an die Playstation, aber Sony kann auf ein beachtliches Produktportfolio zurückgreifen. Bei der Spieleentwicklerkonferenz Quo Vadis erklärte Lukasz Hacura von den polnischen Anshar-Studios kürzlich: „Es gibt kein einziges Spiel, das so etwas wie ein Systemseller ist – Virtual Reality ist eine Nische in einer Nische.“

Niederschmetternde Urteile von einem Branchenexperten, der selbst gerade an einem Weltraumspiel für Virtual-Reality-Brillen arbeitet. Doch nicht alle sind einer Meinung mit Hacura. Avni Yerli von Crytek sieht kein Nischenproblem. Er geht davon aus, dass in den nächsten drei Jahren alle Systeme eine relevante Reichweite haben werden.

Kabelsalat. Über vieles kann man vielleicht hinwegsehen. Vor allem, wenn die Euphorie überhandnimmt und man gern neue Technologien als Erster ausprobiert. Sieht man davon ab, dass man zusätzlich zur Brille neben einem leistungsfähigen und daher auch teuren PC auch noch Abstriche beim Spieleangebot machen muss, steht man vor dem Problem, dauernd über Kabeln zu stolpern. Entweder sind sie vor, unter oder hinter einem. Aber gewiss immer dort, wo man sie nicht braucht. Diese Kabel müssen verschwinden.

Bereits jetzt positioniert sich Samsung mit seiner Gear VR als unterhaltsame und kabellose Alternative, obwohl man diese nur mit aktuellen Samsung-Smartphones nutzen kann. Und ein weiterer entscheidender Grund, mit dem Kauf zu warten, ist die aktuelle Nichtverfügbarkeit. Kein einziger angekündigter Liefertermin konnte eingehalten werden. Außerdem kommt die zweite Generation meist günstiger und mit weniger Kinderkrankheiten auf den Markt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2016)

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