Analog-Fotografie: Die Liebe zum körnigen Bild

Während sich die Digitalkamera-Hersteller fast wöchentlich mit Superlativen überbieten, entdeckt eine kleine Gruppe von Fotoliebhabern den Charme der analogen Fotografie neu. In einschlägigen Internetforen herrscht ein reger Know-how-Austausch.

Nichts zeigt den dramatischen Niedergang der analogen Fotografie so deutlich wie die nackten Zahlen: Während sich 2003 die Verkäufe von analogen und digitalen Kameras noch in etwa die Waage hielten, wurden im vergangenen Jahr allein in Deutschland mehr als neun Millionen Digitalkameras verkauft. Gleichzeitig sind Analogkameras mit 30.000 Exemplaren zur kommerziellen Marginalie verkommen. So bedeutungslos, dass im letzten Jahr keiner der bekannten Hersteller auch nur ein einziges neues Modell auf den Markt gebracht hätte.

Die Nische lebt

Doch es gibt sie noch, die Leicas, Nikons, Rolleis oder Pentacons – vergessen auf Dachböden, in Schubladen oder abgelegten Kartons. Und zuweilen werden bei ihren Besitzern Erinnerungen wach: an den Geruch des Films, an den Überraschungseffekt beim Entwickeln, die spezifische Körnung der Abzüge oder die Weichheit des Papiers. „80 Prozent der Haushalte verfügen nach wie vor über eine Analogkamera. Auch wenn das kein wachsender Markt mehr ist, wird die Analogfotografie daher wohl noch lange Bestand haben“, gibt sich Constanze Clauß, Geschäftsführerin des deutschen Fotoindustrie-Verbandes Prophoto, überzeugt. Der Zulauf, den Internetforen wie die Vereinigung für Digitalkameraverweigerer (www.vfdkv.de) oder die Analoge Photogruppe (www.aphog.de) neuerdings verzeichnen, geben ihr recht. „Auffällig dabei ist, dass verstärkt auch die junge Generation unter zwanzig Jahren die analoge Fotografie für sich zu entdecken scheint“, berichtet Thomas Langmaier, Sprecher des österreichischen Ablegers der VFDKV. Anders als der Name vermuten ließe, lehnen ihre Mitglieder die Digitalfotografie allerdings nicht grundsätzlich ab – nach eigenen Angaben haben sie sich „lediglich“ der gezielten Pflege und dem Erhalt der analogen Technik verschrieben.

Für (Wieder-)Einsteiger in die analoge Technik sind diese Seiten wahre Fundgruben: Neben den Vorzügen bestimmter Kameramodelle werden die unterschiedlichsten Aufnahme- und Entwicklungstechniken diskutiert, außerdem findet man zahlreiche Tipps zu Reparaturen, Zubehör, Hinweise auf spezialisierte Fotoshops, oder es werden Ausstellungen organisiert. Es sind jedoch nicht nur sentimentale Gründe, die Foto-Enthusiasten zu ihren alten Geräten greifen lassen. Denn auch wenn zumindest die digitalen Kleinbildformat-Kameras mit ihren analogen Vorgängern in puncto Qualität längst gleichgezogen haben, gibt es Bereiche, in denen die analoge Fotografie (bisher) unübertroffen ist: etwa im Bereich der Schwarz-Weiß-Fotografie, im Mittel- oder Großformat. Auch die spezifische Körnung der Abzüge findet begeisterte Anhänger. Weitere Argumente, die Analog-Fans ins Feld führen, sind die lange Haltbarkeit der Negative und nicht zuletzt die unübertroffen günstigen Preise, zu denen sich gebrauchte Qualitätskameras auf Plattformen wie eBay ersteigern lassen. Auch an Filmnachschub besteht kein Mangel. Große Hersteller wie Kodak oder Fuji bedienen nach wie vor die analoge Nische, in Lücken wie sie die Insolvenz von Agfa gerissen hat, sind kleinere Anbieter wie Rollei, Adox, efke oder Spürsinn vorgestoßen.

Analoges Revival?

Kündigt sich damit – ähnlich wie bei der Vinyl-Schallplatte bzw. dem Plattenspieler – ein Revival der analogen Fotografie an? Langmaier kann sich das durchaus vorstellen: „Fotografie ist viel mehr als nur Ablichten und Ausarbeiten. Wie beim Schallplattenhören ist auch die analoge Fotografie mit einer Vielzahl von Ritualen verbunden – vom Wählen des passenden Films, dem Geruch der Chemie bis hin zum Herumärgern über selbst verursachte Fehler.“

www.vfdkv-forum.dewww.aphog.de

www.fotografie.at

www.facebook.com/filmchemie

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2010)

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