KI: Intelligent, aber kein Gefühl

Intelligent aber kein Gefuehl
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Der Künstliche-Intelligenz-Forscher Robert Trappl über den Erfolg von Watson, darüber, was Computer alles können – und was man noch nicht weiß.

Big Blue holt Gold“, übertitelte ein geschätzter Kollege seinen Bericht über den Triumph des IBM-Computers Watson bei der Quizshow „Jeopardy“ über Champions aus Fleisch und Blut. Der Computer war bei seinen Antworten einfach schneller – und machte viel weniger Fehler, als viele erwartet hatten.

Ist Watson daher intelligenter als wir Menschen? „Das hängt davon ab, was man unter ,intelligent‘ versteht“, sagt Robert Trappl, Österreichs „Papst“ der Forschungsrichtung „Künstliche Intelligenz“ (Artificial Intelligence; AI). „Mein Taschenrechner ist beim Dividieren viel intelligenter als ich, der kann das viel besser“, sagt er. „Früher, als der Taschenrechner gerade erfunden wurde, hat man gesagt: Das Kastl ist intelligent.“ Heute ist das normal. Dafür sehen wir jetzt ein System als intelligent an, das ein Auto selbsttätig einparkt – und zwar viel besser als ein Mensch. Oder einen Fotoapparat, der erst dann auslöst, wenn eine vorher definierte Zielperson lächelt.

„Eine boshafte Definition von AI lautet: Künstliche Intelligenz ist das, was Computer noch nicht können“, so Trappl. Vor dem Sieg von Deep Blue über den Schachweltmeister Garri Kasparow 1997 galt die Programmierung als AI. Der Forscher findet es daher „witzig“, dass man eine Aufzählung dessen, was ein Computer alles nicht kann, als Beweis dafür ansieht, dass er nicht intelligent ist. Diese Grenze verschiebt sich also ständig. „In zehn oder 15 Jahren werden wir das, was Watson kann, in jedem Smartphone haben.“

Die Fähigkeiten von Watson findet Trappl bemerkenswert. „Das System ist eine tolle Leistung der AI.“ Watson besteht aus 2880 Prozessorkernen und hat eine Speicherkapazität von 16 Terabyte (das entspricht 500 handelsüblichen PCs). Vier Jahre lang wurde er mit dem Wissen von 200 Millionen Seiten „gefüttert“ und für seine Aufgabe programmiert und trainiert. Die Software dahinter ist „State of the Art“ der AI: etwa eine sehr hoch entwickelte Spracherkennung, in der viele sprachanalytische Verfahren parallel arbeiten – damit kann eine sehr hohe Erkennungsquote erzielt werden. „90 Prozent sind heute relativ einfach erreichbar, die letzten zehn Prozent sind aber schwierig.“ Weiters bildet Watson mit den Ergebnissen der Suche in den Datenbanken – hier kommen auch semantische Verfahren zum Einsatz – Hypothesen und muss diese in ihrer Wahrscheinlichkeit bewerten. Er kann ja nur eine Antwort geben. Eine Arbeitsversion des Systems, die auf einem PC installiert war, brauchte für das Finden der richtigen Antwort zwei Stunden – durch die massive Parallelisierung geht es nun in ein paar Sekunden. Der letzte Schritt, die Ausgabe der Antwort in gesprochener Sprache, ist eine vergleichsweise einfache Sache – die freilich auch noch nicht perfekt ist.

Drei Viertel der Fragen waren zwar Wissensfragen, und da sind computerisierte Datenbanken unschlagbar. „Aber es gab auch andere Fragen, bei denen sich das Ergebnis zum Beispiel reimen musste. Das macht es viel schwieriger.“ Und auch dabei hat Watson oft ein gute Figur gemacht.

Trappl: „Beim Turing-Test ist Watson schon deutlich nähergekommen; das System ist ein Schritt in die Richtung, dass eine Maschine den Test besteht.“ Dieser Test, benannt nach Alan Turing, Gründervater der Computertechnologie, geht wie folgt: Wenn man bei der Antwort auf eine Frage nicht unterscheiden kann, ob diese von einem Menschen oder von einer Maschine kommt, dann muss man der Maschine ein dem Menschen ebenbürtiges Denkvermögen zugestehen.

Ob das aber gleichzeitig ein Zeichen für „Intelligenz“ ist, darüber kann man lange und trefflich streiten. Trappl gibt beispielhaft einen Aspekt zu bedenken. „Für uns hat Intelligenz immer auch eine soziale Komponente dabei. Daher tendieren wir dazu, dass ein Computer ein Blechtrottel ist.“

Faktum ist jedenfalls, dass ein Computer andere Mechanismen zur Lösung einer Aufgabe benutzt als der Mensch. „Wenn ich eine Zahl durch eine zweite dividiere, dann probiere ich aus, wie oft die Zahl in der anderen enthalten ist, bilde einen Rest und so weiter. Der Computer dagegen folgt einem einfachen Algorithmus – und irrt sich dabei nie.“

Wie sieht es mit anderen „zutiefst menschlichen“ Eigenschaften aus? Etwa mit dem Bewusstsein? Trappl: „Niemand weiß, ob es einmal Maschinen mit Bewusstsein geben wird.“ Nachsatz: „Das ist eine unentscheidbare Frage – und eigentlich egal.“ Beim Menschen könne man Kriterien für ein Bewusstsein angeben – etwa, ob er sinnvolle Antworten gibt –, und man schließt dann vom eigenen Empfinden, ein Bewusstsein zu haben, auf andere Menschen. Es fällt uns aber offensichtlich schwer, das auch Maschinen zugestehen zu können.

Wie sieht's mit dem Verstehen von Ironie aus? „Das ist sicher machbar. Es gibt Systeme, die Witze kreieren.“ Nachsatz: „Ich kenn aber noch keinen guten Witz vom Computer.“ Und Emotionen? Da sagt Trappl ganz klar: „Computer haben keine Gefühle.“ Emotionen sind aber dennoch ein wichtiger Forschungsgegenstand der AI-Forschung. „Wenn Roboter wirklich einmal Partner des Menschen werden sollen, etwa in der Altenbetreuung oder als Arbeitskollegen, dann müssen sie Gefühle erkennen und darauf eingehen.“ Und dazu seien Computer in Ansätzen schon fähig: Sie können so programmiert werden, dass sie Mimik, Tonfall oder Pupillengröße erkennen und ihre Reaktion an die Stimmung des Gegenübers anpassen.

Robert Trappl (72) hat im Jahr 1969 die Österr. Studiengesellschaft für Kybernetik gegründet, 1984 dann das Österr. Forschungsinstitut für Artificial Intelligence (OFAI). Seit seiner Emeritierung als Professor der
Medizin-Uni Wien 2007 widmet er
sich wieder voll der Forschung.

Das OFAI beschäftigt derzeit 25 Forscher, weit über 90 Prozent des Budgets von rund 1,3 Mio. Euro werden von der EU, der FFG, vom WWTF, vom FWF sowie von Firmenpartnern finanziert. Subventionen in Höhe von zuletzt 90.000 Euro vom Wissenschaftsministerium werden nun, wie berichtet, gestrichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2011)

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