Das digitale Legoland

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Das äußerst ungewöhnliche Spiel Minecraft hat sich zu einem Hit entwickelt. Es wird sogar in der Bildung genutzt. Dabei ist es erst im November wirklich fertig. Der Erfolg stellte sich nur durch Mundpropaganda ein.

Vom Tellerwäscher zum Millionär, vom simplen Programmierer zum Milliardär. Die Legenden sind bekannt, für den Schweden Markus Persson könnte letztere Realität werden. Sein ungewöhnliches Baukastenspiel „Minecraft“ entwickelt sich immer mehr vom Geheimtipp zum Massenphänomen. Dabei ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, warum. Die Grafik sieht aus, als wäre sie vor 20 Jahren erstellt worden, alle Elemente bestehen aus Würfeln mit der Kantenlänge eins. Und darin liegt auch das Genie dieses Spiels. Denn aus diesen Würfeln lässt sich die Spielwelt komplett umgestalten – wie es einem gefällt. Mit einer Axt fällt man Bäume, wodurch man Holz erhält und Häuser bauen kann. Oder man baut aus Stein regelrechte Paläste. Einschränkungen gibt es kaum.

Wo Lego, das eigentliche Ur-Bastelspiel, versagt hat, nämlich sein Konzept des immer wieder Neukombinierens in die digitale Welt zu übertragen, ist es einem einzelnen Programmierer gelungen, dieses Flair auch auf den Computer zu bringen, inklusive Klötzchengefühl dank der Würfel. Schon in einer der ganz frühen Alphaversionen sammelten sich tausende Fans im Spiel. Seit Jänner 2011 ist es eine Million, die Minecraft nach den eigenen Vorstellungen umbaut. Häuser, Türme, Paläste oder sogar Eisenbahnen sind möglich. Ein besonders findiger Nutzer hat mithilfe eines externen Programms sogar das Grundgerüst der USS Enterprise in Minecraft nachgebaut – in Originalgröße! Für Kenner: Es ist die Version NCC-1701-D, mit der Captain Picard unterwegs war.


Kein Scherz. Dass in Minecraft der Spaß am Erschaffen im Vordergrund steht, zeigt sich auch am Datum, an dem die fertige Version erscheinen soll. Am 11. November 2011 soll es soweit sein – Faschingsbeginn. Das Datum ist aber kein Scherz, genauso wenig die Software selbst. Das inzwischen von Persson gegründete Softwarestudio Mojang nimmt die Arbeit sehr ernst. Kein Wunder, wenn man inzwischen schon mehr als 5,8 Millionen registrierte Benutzer und mehr als 1,7 Millionen zahlende Kunden der Betaversion zufriedenstellen will. Diese Zahlen sind umso beachtlicher, da Minecraft keinerlei Marketingfirma oder größeres Softwarestudio im Rücken hat. Lediglich durch Mundpropaganda stellte sich der Erfolg ein.


Spielend lernen. Das ungewöhnliche Stück Software hat inzwischen auch Lehrer inspiriert. In einer New Yorker Schule wurden ganze Unterrichtsstunden innerhalb von Minecraft abgehalten. Lehrer Joel Levin nutzte die vorhandenen Werkzeuge im Spiel, um seinen Schülern Aufgaben zu stellen und sie zur Problemlösung zu ermutigen. Die Inspiration für das Vorhaben erhielt er, nachdem seine fünfjährige Tochter im Alleingang ein Baumhaus in Minecraft anfertigte.

Trotz anfänglicher Bedenken war das Experiment ein riesiger Erfolg. Großes Augenmerk wurde auf Teamwork gelegt – etwas, das in vielen Spielen heutzutage fehlt. Manchmal gab es Probleme, wenn etwa Kinder aus Zorn die Bauwerke ihrer Schulkollegen in Minecraft zerstörten. Für Levin war das aber eine gute Gelegenheit, um seinen Schülern Konfliktlösung beizubringen. Er hofft, ihnen auch das Rüstzeug für Onlinewelten mitgeben zu können, das ihnen später hilft, wenn sie dann ein Facebook-Konto haben. Seine Erfahrungen hat Levin ausführlich in seinem Blog http://minecraftteacher.net geschildert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2011)

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