CONTRA: Vorratsdaten? Wehe, wenn die Hacker kommen

CONTRA Vorratsdaten Wehe wenn
CONTRA Vorratsdaten Wehe wenn(c) AP (Alik Keplicz)
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CONTRADie Vorratsdatenspeicherung bringt Ermittlern relativ wenig. Kriminelle könnten damit aber ein minutiöses Profil aller Österreicher erstellen.

Die Vorratsdatenspeicherung bringt mehr Sicherheit, argumentieren die Behörden. Tatsächlich aber ist genau das fraglich. Die Idee, Verbindungsdaten digitaler Kommunikation auf Vorrat zu speichern, war eine Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York, vom 11. März 2004 in Madrid und vom 13. Juli 2005 in London. Experten bezweifeln, dass Fälle wie diese durch Vorratsdaten in Zukunft besser aufgeklärt oder gar verhindert werden können. Gerade gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität wird das neue Gesetz wirkungslos bleiben. Denn diese Täter kennen ausreichende Methoden, einer Speicherung zu entgehen. Abgesehen davon werden auch bereits bisher Verbindungsdaten gespeichert - wenn auch nicht in dem Umfang und der Dauer der Vorratsdatenrichtlinie, so genügten diese Daten immerhin, um zu helfen, die Anschläge in Madrid aufzuklären. 

Umkehr der Unschuldsvermutung

Eine Datensammlung im Umfang einer Vorratsdatenspeicherung stünde also in keinem Verhältnis zu den Nachteilen, die sie bringt. Nicht nur wird die Unschuldsvermutung umgekehrt und alle Bürger stehen unter Generalverdacht. Schwer wiegen würde auch eine Auswertung der gesammelten Datenmasse aller Bürger. So könnten Verhaltensmuster aus den Verbindungsdaten erstellt werden, die statistisch betrachtet eher zu kriminellem Taten führen. Zu dieser möglichen Vorverurteilung kommt noch die Möglichkeit einer falschen Beschuldigung. Klar, sind nach der österreichischen Umsetzung der Richtlinie nur dann Abfragen möglich, wenn eine Strafandrohung von zwei Jahren vorliegt. Aber solche Details könnten im Nachhinein ohne viel Aufsehen geändert werden, wenn das Gesetz einmal in Kraft ist. 

Vorratsdaten in den falschen Händen

Erschwerend hinzu kommt, dass die Speicherung von Vorratsdaten auch bei Unternehmen Begehrlichkeiten weckt. So hat zum Beispiel die Musikindustrie kritisiert, dass die Speicherfrist von sechs Monaten viel zu kurz ist. Zu kurz für die Auswertung hinsichtlich urheberrechtsverletzender Downloads - klar, dass die Rechteinhaber gerne in den gesammelten Daten schmökern wollen. Noch unangenehmer ist aber das Interesse von Kriminellen an diesen Daten. Dass Hacker keine Schwierigkeit haben, auch in gut gesicherte Netzwerke - etwa vom FBI - einzudringen, wurde bereits mehrfach bewiesen. Man stelle sich nur vor, was Terroristen mit minutiösen Profilen von Millionen Österreichern anstellen könnten. 

Nichts zu verbergen?

Wie etwa der von Zeit Online ausgewertete Vorratsdatensatz eines deutschen Politikers zeigt, lassen Vorratsdaten aus sechs Monaten sogar Rückschlüsse auf das persönliche Beziehungsnetzwerk zu. Abgesehen davon, dass das Bewegungsprofil eines halben Jahres auch Prognosen darüber ermöglicht, wohin sich eine Person mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit an einem beliebigen Tag bewegen wird. Und auch das Argument, redliche Bürger hätten schließlich nichts zu verbergen, ist damit hinfällig. Denn spätestens vor Kriminellen würden man wohl doch gerne solche Informationen verbergen. Mitunter aber auch vor Ermittlern, denn die aufgezeichneten Verbindungsdaten verraten auch, wer häufig bei Selbsthilfegruppen anruft, oder bei Psychologen, bestimmten Ärzten oder Sexhotlines. 

In Deutschland grundgesetzwidrig

Rechtlich bewegt sich die Vorratsdatenspeicherung auf dünnem Eis. Bewiesen wird das auch dadurch, dass die Vorratdatenspeicherung etwa in Deutschland - wo sie bereits in Kraft war - vom Bundesverfassungsgericht 2010 als grundgesetzwidrig erklärt und wieder aufgehoben wurde. Die Speicherung auf Vorrat sei nicht mit dem Grundrecht auf Post- und Fernmeldegeheimnis vereinbar. Vereinbar ist sie nach Ansicht vieler Juristen auch nicht mit der EU-Grundrechtecharta von 2009 und auch nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Schließlich stehen auch die Kosten in zweistelliger Millionenhöhe in Österreich in keinem Verhältnis zum Nutzen. Die Provider haben wenig Verständnis dafür, 20 Prozent dieser Kosten selbst tragen zu müssen - denn immerhin geht es um die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe ohne den geringsten wirtschaftlichen nutzen für diese Unternehmen. Der Löwenanteil von 80 Prozent der Kosten wird aber vom Bund getragen, wofür wahrscheinlich auch Steuerzahler wenig Verständnis haben.

> PRO: Vorratsdaten-Regelung bringt Rechtssicherheit 

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