Zwang oder Chance? Xbox One und das Cloud-Gaming

Zwang oder Chance? Xbox One und das Cloud-Gaming
Zwang oder Chance? Xbox One und das Cloud-Gaming(c) REUTERS
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Microsoft gibt zu, ein Kommunikationsproblem zu haben. Über die Online-Anbindung könnten neue Spielkonzepte ermöglicht werden. Entwickler freuen sich auf diese Möglichkeiten.

Der Kampf um die Gunst der Spieler ist voll entbrannt. Microsoft und Sony haben sich auf der heurigen Branchenmesse E3 in Los Angeles nichts geschenkt und versucht, die Gamer-Gemeinde auf sich einzuschwören. Microsoft-Manager konnten die Verärgerung über Sonys Ankündigungen nur mit Mühe verbergen. Denn der japanische Konkurrent hatte im Rahmen seiner Pressekonferenz begründet, dass "Disc based games" ohne Probleme weiterverkauft werden können. Weiters hieß es, die neue PlayStation 4 benötige keine regelmäßige Online-Verbindung, damit Spiele weiter nutzbar bleiben. Beides sind Seitenhiebe auf Microsoft, dessen neue Xbox One mehr eine Lizenz für ein Spiel als tatsächlich Eigentum an einem Spiel bietet und alle 24 Stunden ins Netz muss, damit Spielen überhaupt funktioniert. Mehr zu PS4 vs. Xbox One >>>

"All you can play" als Geschäftsmodell?

Bei Microsoft ist man überzeugt, ein Kommunikationsproblem zu haben, erfuhr DiePresse.com von Insidern. Die Online-Verbindung der Konsole sei keine Einschränkung, sondern würde tatsächlichen Mehrwert für die Spieler bieten. Nicht der Zwang, sondern die Möglichkeiten hätten hervorgehoben werden sollen. Immerhin will der Hersteller zunehmend auf digitale Distribution von Spielen setzen. Microsoft-Manager Yusuf Mehdi deutet in einem Interview mit Ars Technica an, das auf der Xbox One in Zukunft "all you can play"-Lizenzmodelle möglich sein könnten. Die Plattform ermöglicht es Spielern sogar, ihre Games für bis zu zehn "Familienmitglieder" freizugeben. Es gibt aber noch ein Feature, das Microsoft bisher kaum anpreist. Der Hersteller will in Zukunft verstärkt auf Cloud Computing setzen, um Spielinhalte nicht mehr auf der Konsole, sondern auf den Serverfarmen des Unternehmens zu berechnen.

300.000 Asteroiden aus der Datenwolke

Doch wie soll man sich das als Gamer vorstellen? Microsoft zeigte auf der E3 hinter verschlossenen Türen ein Beispiel, bei dem die Xbox One die Orbitalbewegungen von 40.000 Asteroiden in unserem Sonnensystem berechnete. Als Basis dienten dafür NASA-Daten. Mit aktivierter Cloud-Berechnung wuchs diese Zahl auf mehr als 300.000 Asteroiden an, wobei die Bewegungen der Himmelskörper 500.000 Mal in der Sekunde aktualisiert wurden.

Entwickler "aufgeregt" über Möglichkeiten

Allein daraus lässt sich aber noch nicht schließen, ob und wie diese Technologie wirkungsvoll für Spiele eingesetzt werden kann. Doch einige Entwickler freuen sich bereits die Möglichkeiten. Josh Bridge, Entwickler bei Capcom, erklärte im Gespräch mit DiePresse.com, er sei bereits "sehr aufgeregt", was man mit den Cloud-Funktionen alles anstellen könne. Als Beispiel nennt er Spiele, bei denen Bereiche der virtuellen Welt in Echtzeit "weiterleben", selbst wenn man sich nicht gerade dort aufhält. Bridge schwebt etwas vor, das er "massively single player" nennt - also die Online-Erweiterung des Einzelspieler-Erlebnisses durch die Cloud-Funktionalitäten. "Wir sind nicht mehr nur durch einen Kasten unter dem Fernseher eingeschränkt", sagt Bridge.

Spielerverhalten wird online geklont

Auch Jeff Goldian von Turn Ten will in diesem Bereich stärker tätig werden. Der Entwickler war früher für Cloud-Server bei Microsoft zuständig und hat für das Xbox-One-Spiel "Forza 5" an der Cloud-Funktion "Drivatar" gearbeitet. Diese zeichnet das Spielerverhalten auf und legt gewissermaßen einen virtuellen Klon des Spielers in der Datenwolke ab. Auf die Weise könne man etwa gegen seine Freunde spielen, selbst wenn diese gerade nicht online sind. Hier gehe es nicht einfach nur darum, Rundenzeiten zu speichern, sondern "das Fahrverhalten eines Spielers auch auf Strecken zu extrapolieren, auf denen er noch nie gefahren ist".

Microsoft hat Server aufgerüstet

So erfreut die Entwickler über die Cloud-Funktionen sind, so werfen sie doch auch Fragezeichen auf. Microsoft sagt, dass die Serverfarmen von 15.000 auf 300.000 aufgerüstet worden seien. Bisher ist aber nicht bekannt, wieviel Rechenleistung die Konsolenspiele von diesen Servern abfordern. Viel konkreter für die Spieler ist die Frage nach der Bandbreite, die für die neuen Funktionen benötigt werden. Österreich ist relativ gut ausgebaut, insbesondere dank der vielen mobilen Breitband-Angebote. In anderen Ländern ist es aber nicht so einfach, eine stabile flotte Internetverbindung aufrecht zu erhalten.

Wie flott muss die Verbindung sein?

Microsoft wollte sich auf der E3 auf Anfrage von DiePresse.com nicht festlegen, welche Verbindungsqualität mindestens gegeben sein muss, damit die Cloud-Funktionen reibungslos ausgeführt werden können. Und egal wie flott die Verbindung ist, es wird immer Latenzzeiten geben. Daher eignen sich die Cloud-Funktionen nicht für Berechnungen, die direkt mit dem aktuellen Spielgeschehen zu tun haben. Insofern ist der Anwendungsbereich dieser Technologie trotz ihres Potenzials eingeschränkt.

Praktische Anwendungen fehlen noch

Die Zukunft ist online, das weiß auch Sony. Viele Spiele, die für die PlayStation 4 erscheinen, werden ebenfalls eine Internetverbindung benötigen, darunter das Rennspiel "Driveclub", das regelrecht davon lebt, dass man sich ständig im Wettstreit mit anderen befindet. Auch Action-Kracher wie "Battlefield 4" oder "Destiny", die Neuentwicklung der "Halo"-Macher, sind auf Multiplayer ausgelegt. Und in Partnerschaft mit Gaikai lässt Sony ausgesuchte PlayStation-3-Titel auch per Streaming auf die PlayStation 4 bringen. Microsoft scheint hier noch einen Schritt weiterzudenken. Derzeit sind die praktischen Anwendungen für die Cloud-Computing-Funktionen aber spärlich bis gar nicht vorhanden. Will der Hersteller diese Technologie den potenziellen Xbox-One-Käufern schmackhaft machen, wird er sich noch anstrengen müssen.

(db)

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