Spiele entwickeln: Wenig Geld, dafür große Träume

(c) REUTERS (JONATHAN ALCORN)
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Anführer bei den Download-Charts, Geld aus Japan: Die heimische Spieleentwickler-Szene hat im vergangenen Jahr internationale Erfolge gefeiert. Das lässt auch andere hoffen.

Wann und ob er es überhaupt schon richtig realisiert hat, kann Denis Mikan noch gar nicht sagen. „Es ist alles so schnell gegangen“, sagt der 40-Jährige, der in kurzer Hose und schwarzem T-Shirt dasitzt und an seinem Kaffee nippt. Denis Mikan und sein Bruder Davor, 32, haben im vergangenen halben Jahr das erlebt, wovon jeder Spieleentwickler träumt. Ihr Mobile-Spiel „Blek“ führte in den vergangenen Wochen in insgesamt 36 Ländern die iTunes-Charts an. Es wurde in den Spiele-Reviews hochgelobt, wurden mehr als 600.000 Mal heruntergeladen und hat, quasi zur Krönung, vergangene Woche den Apple Design Award gewonnen. Was international auf Resonanz stieß, in Österreich aber fast völlig unerwähnt blieb.

Mikans (die unter dem Namen Kunabi Brother firmieren) Erfolg ist ein simples, aber schön designtes Spiel, das schwer süchtig macht. Mit dem Finger wird eine Line gemalt, die sich zu bewegen beginnt und in Folge bunte Farbpunkte auf dem Schirm einsammelt. An dem Spiel haben Denis und sein Bruder sechs Monate gearbeitet. Vergangenes Jahr haben sie den heimischen Content-Award (Kategorie Games) gewonnen, danach ist es stetig aufwärtsgegangen. Erwähnungen in der „New York Times“, im deutschen „Spiegel“-Magazin und dann noch Preise über Preise.

Und die Mikan-Brüder sind nicht die Einzigen. Beim Wiener Indie-Games-Start-up Socialspiel (Indie-Spiele sind Spiele, hinter denen keine große Entwicklerfirma steht), ist die japanische Spielefirma Nexon mit einem siebenstelligen Betrag eingestiegen. Mit 1,4 Milliarden registrierten Spielern zählt Nexon zu den Großen der Branche. Möglich haben den Deal „ein gutes Netzwerk und vier Jahre an harter Arbeit gemacht“, sagt Socialspiel-COO Helmut Hutterer. Eine dreistündige Zugfahrt mit dem Nexon-Chef hätte dann alles besiegelt. Langfristig soll Socialspiel nun den Markt in Europa und Amerika für Nexon aufbereiten.

Der Erfolg von Socialspiel und von Kunabi Brother spiegelt eine Entwicklung wider, die vor ein paar Jahren noch nicht absehbar war. Österreichische Spiele feiern weltweite Erfolge in der Gaming-Szene. Das wirkt sich auch auf die gesamte Szene aus, in der derzeit besonders viel Bewegung und Aufbruchsstimmung zu spüren ist.

Es finden mehr Netzwerktreffen statt, es kommen immer mehr Spielideen auf den Markt und es gibt, wie es Martin Pichlmair vom schon etablierten Studio Broken Rules (derzeit: Secrets of Raetikon) formuliert, neue Gesichter. „Man hat auf einmal das Gefühl, nicht mehr jeden Developer zu kennen“, sagt er.

Firmen verdoppeln sich. Einer, der diese Entwicklung seit Jahren vorantreibt, ist Jogi Neufeld. Neufeld hat vor rund zehn Jahren seinen Gaming-Förder-Verein Subotron gegründet. Seither sitzt er in seinem Shop im Museumsquartier und verkauft nicht nur alte Gameboy-Spiele von „Tiny Toon“ bis „Super Mario Land“, sondern ist vor allem ein lebendes Netzwerk – das unterstützt von der Wirtschaftskammer Wien – Vorträge und Workshops am Fließband organisiert.

In den vergangenen Jahren hätten alle großen Spielefirmen ihre Mitarbeiterzahl vergrößert, wenn nicht sogar verdoppelt, gibt sich Neufeld auch dementsprechend enthusiastisch. So hätte die größte und älteste Entwickler-Firma, Sproing, jetzt 85 Mitarbeiter, Cliffhanger, die für Online-Rollenspiele bekannt sind, 40, und Rabcat, die Autoanimationen für Triple-A-Spiele (das sind teure Spiele großer Entwicklerstudios, Anm.) zuliefern, 25. Auch Socialspiel plant mit dem neuen Investment auf 18 bis 20 Mitarbeiter aufzustocken.

Im internationalen Vergleich sind das noch immer verschwindend geringe Zahlen, richtig große Entwicklerfirmen gibt es in Österreich noch nicht. Den weitaus größeren Teil machen ohnehin EPU aus, die sich für einzelne Projekte zusammenfinden. Wie etwa Zsolt Marx und Gottfried Eibner von Noizoo Games.

Die beiden arbeiten gerade an ihrem Weltraumspiel „Nyquest“, bei dem ein Weltraumjournalist von Planet zu Planet springen muss. Marx, seit Jahren in der Branche tätig und mittlerweile 40 Jahre alt, war davor als Audioprogrammierer für eine große Spielefirma in Großbritannien tätig. Er hat bei Spieltiteln wie „Harry Potter“ und „Burnout“ mitgearbeitet und war bei seiner Rückkehr nach Österreich dann doch etwas überrascht: „Viele haben gesagt, Spezialisten wie dich brauchen wir nicht, sondern Generalisten“, sagt er. „Da habe ich mir gedacht, es ist der perfekte Zeitpunkt, um etwas Eigenes zu starten.“ Seit eineinhalb Jahren arbeiten er und sein Kollege nun am Weltraumspiel (Zielgruppe: Kinder), bei dem man eine 360-Grad-Bewegung, um jeden Planeten vollführen muss.

Dass die beiden Programmierer (beide haben Informatik studiert) dabei in Österreich sitzen, ist nur bedingt relevant. Auch wenn ihr Zielmarkt, salopp formuliert, die ganze Welt ist. „Es findet schon eine massive Globalisierung statt“, sagt Marx. Für den Spielsound bei ihrem Spiel haben Marx und sein Kollege etwa zwei Briten engagiert und für die Raumschiffanimation einen Amerikaner. Weil es so leicht sei. Aufträge werden per E-Mail vergeben, bezahlt via PayPal. Eben wurde das Spiel veröffentlicht. Nun wird vermutlich das Marketing entscheiden, wie groß der Erfolg sein wird.

Werbung ist wichtig. Denn mittlerweile gibt es so viele Indie-Games-Entwickler, dass oft nur mehr das Marketing entscheidet, ob ein Spiel heraussticht oder nicht.

Das gute Marketing (vor allem der hochgelobte Spieltrailer) war auch für den Erfolg der Mikan-Brüder entscheidend. „Als wir das Spiel veröffentlicht haben, bekamen wir überall gute Kritiken, aber nach drei Monaten lagen wir trotzdem nur bei 33.000 Downloads“, erzählt Denis Mikan. Als er schließlich auf einer Konferenz Apple-Mitarbeiter kennenlernte, war er erstaunt, dass auch sie das Spiel kannten. „Warum featured ihr uns dann nicht“, fragte er. Apple wurde daraufhin tatsächlich aktiv, das Feature kam, die Aufmerksamkeit stieg, aber der Durchbruch gelang erst, als die Mikans ihren Trailer auf YouTube als Werbung schalteten.

„Das Risiko war minimal“, sagt Mikan heute, „weil man nicht gleich große Beträge investieren muss.“ Der Trailer trieb – weil er offensichtlich auch angesehen wurde – innerhalb kurzer Zeit die Verkäufe in die Höhe. Mittlerweile haben die Brüder zwar einen sechsstelligen Betrag in das Marketing investiert, der Gewinn dadurch, sagt Mikan, sei aber größer.

Von solchen Erfolgen träumen junge Entwickler wie Simon Wallner und Matthias Maschek noch. Sie haben eben den ersten Prototypen ihres Raumschiff-Racing-Games „Beyond 35.200“ beim Subotron Live Pitch vorgestellt und kurz davor den Content-Award Pitch und damit eine Förderung gewonnen.

Jetzt beginnt der harte Teil der Arbeit – und der schönste. Sie müssen neue Welten entwickeln, die Geschichte des Spiels erfinden. Geld bekommen sie dafür keines. So wie auch die Entwickler von „Nyquest“ müssen sie sich selbst finanzieren, bis sie das Spiel verkaufen können. „Ein Spiel wie unseres muss sich 40.000 Mal verkaufen, damit es sich rentiert“, rechnet Wallner vor. Die Chancen, das zu schaffen? Für die meisten Games eher gering. Warum sie dann nicht aufhören? „Aus Liebe zum Spiel“, sagt Matthias Maschek und grinst. Und weil man ja an die eigene Idee glaubt. Das Ziel vom internationalen Spieleerfolg wie bei den Mikan-Brüdern, das haben sie alle gemeinsam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2014)

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