Modern Warfare 2 im Test: Ein Popcorn-Massaker

(c) Infinity Ward
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Das neue Actionspiel brilliert durch Action und Effekte, enttäuscht aber, was den Sinn dahinter anbelangt. DiePresse.com hat die Achterbahnfahrt mit dem Sturmgewehr getestet.

Treibende Action, bombastische Effekte und mitreißende Story - der Stoff aus dem erfolgreiche Hollywood-Blockbuster sind. "Call of Duty: Modern Warfare 2" versucht diese Elemente ebenfalls umzusetzen und löst auch mehrfach Adrenalinschübe aus. Allerdings gelingt das beim Story-Aspekt ganz und gar nicht. Er wirkt im Nachhinein aufgesetzt, um die sehr unterschiedlich gestalteten Missionen lose mit einander verbinden zu können. Konkret geht es, wie so oft, um Krieg. Diesmal zwischen Russland und den USA. Das ist aber in Wahrheit egal, denn warum hier wer wen erschießt, kann einem als Spieler aufgrund der unausgegorenen Geschichte egal sein. Eins steht fest: Geschossen wird auf jeden Fall.

Flughafen-Massaker

Der sechste Teil der "Call of Duty"-Reihe sorgte bereits im Vorfeld für Schlagzeilen. Konkret ging es um eine Szene, die nur noch als das "Flughafen-Massaker" bezeichnet wird. Als Undercover-Agent muss man mit russischen Terroristen durch einen Flughafen mitmarschieren, während diese alles, was sich bewegt, niedermetzeln. Zwar fragt das Spiel ganz zu Beginn, ob man diese Mission überspringen will. Diese Frage ist aber ungefähr so formuliert, als ob man einen Jugendlichen fragt, ob er Filme ab 18 sehen will oder nicht. Die wenigsten werden hier "Nein" sagen. "Nein" sagt inzwischen aber Russland: Die Konsolenversion muss aus den Läden genommen werden, bis der Spielabschnitt entfernt wird, die PC-Variante wird per Patch zensiert.

Informationsfetzen

Die Szene ist eigentlich symptomatisch für das ganze Spiel: Extrem viel Action, wenig Sinn dahinter. Sie ist weder für die Gesamtentwicklung sonderlich sinnvoll, noch hat man als Spieler je die Erleichterung, dass durch die Undercover-Tätigkeit irgendein positiver Nutzen für die "Guten" entsteht - im Gegenteil. Wobei es eigentlich für wirklich geschichtengetriebene Spiele eine Frechheit ist, bei "Modern Warfare 2" von Story zu sprechen. Die losen Informationsfetzen, die man vor jeder Mission erhält, klären weder sonderlich viel auf, noch sind sie sonderlich ansprechend präsentiert. Man hat das Gefühl, Entwickler Infinity Ward wollte den Ladebildschirm einfach nur ein wenig aufpeppen.

Brilliantes Kerngeschäft

Wo das Spiel allerdings brilliert, ist bei seinem Kerngeschäft: Die Steuerung ist knackig und präzise, die Grafik angemessen, die Effekte und Sounds von hoher Qualität. Immerhin, die Entwickler hatten schon fünf Teile Zeit, ihr Handwerk zu üben. Es wäre sehr verwunderlich gewesen, hätten sie hier etwas anderes abgeliefert. Die Inszenierung funktioniert wie bei einem Hollywood-Blockbuster: Ortswechsel, Tempowechsel, Stimmungswechsel. Alles in präzise geplanter Abfolge, von der Schleicheinlage bis zur Ballerorgie durchlebt man die unterschiedlichsten Momente. Popcorn-Kino zum Mitmachen, Achterbahn mit dem Sturmgewehr.

Multiple Spieler-Persönlichkeit

(c) Infinity Ward

Weniger gut wirken die wechselnden Protagonisten. Alle paar Missionen schlüpft man in die Haut eines anderen Soldaten. Der Spieler ist gewissermaßen der inkorporeale Kampfgeist, der von den Personen besitzt ergreift und sie durch die actiongeladenen Level steuert. Identifikationsfiguren gibt es nicht. Das können Konkurrenztitel besser. Was dafür wieder Atmosphäre schafft, sind die Details. Ob wippende Plastikfiguren auf einem Armaturenbrett, Schäferhunde, die hinter einem Zaun bellen oder Zivilisten, die aus einem Fenster deuten, wo sich gerade Feinde befinden: Die Entwickler haben es geschafft, eine dichte und konsistente Spielwelt zu erzeugen.

Realismus weit entfernt

Damit zum wichtigsten Punkt: "Modern Warfare 2" ist ein Spiel. Zwar pocht es auf Realismus, der ist aber nur durch die Grafik und die Effekte ansatzweise gegeben. Kein echter Soldat wird automatisch geheilt, wenn er sich für ein paar Sekunden hinter einer Deckung verschanzt. In keinem Flughafen der Welt könnten vier schwerst Bewaffnete einfach ungestört herummarschieren und Menschen abschlachten. Und darüber, dass man hunderte Meter weite Sprünge mit einem Schneemobil einfach so machen kann, braucht man ohnehin nicht diskutieren.

Fazit

(c) Infinity Ward

Was bleibt, ist ein Popcorn-Massaker. Wer auf Jerry-Bruckheimer-Filme wie "Transformers" steht, wird mit "Modern Warfare 2" glücklich werden. Allerdings nicht sehr lange. Selbst ungeübte Spieler werden die Kampagne nach einem Wochenende durchgespielt haben. Zurück bleibt man mit einem leicht schalen Nachgeschmack, der Mehrspielerfunktion und kurzweiligen Baller-Missionen im "Special Ops" Modus. Ob das den hohen Preis rechtfertigt, muss jeder für sich entscheiden. 50 Euro für die PC-Version und 60 Euro für die Konsolenvariante ist jedenfalls nicht gerade wenig Geld. Noch dazu wurde der Mehrspielermodus kastriert: Die Gaming-Gemeinde beschwert sich seit Wochen über eingeschränkte Serveroptionen. Dedicated Server, das Wasser und Brot aller bisherigen Multiplayer-Erfolgsspiele, wurden kurzerhand abgeschafft. Entwickler Infinity Ward und Publisher Activision Blizzard dürfte diese Kritik nur wenig kümmern. Das Spiel verkauft sich prächtig und konnte am ersten Verkaufstag bereits 208 Millionen Euro umsetzen.

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