Das erste veröffentlichte Urteil des US-Geheimdienstgerichts Fisc zum Sammeln von Handydaten bestätigt das Misstrauen in Europa.
Washington. 46 Seiten, zahlreiche geschwärzte Passagen und eine lakonische Feststellung: „Der Telefonkunde, der Daten an seinen Telefonbetreiber übermittelt, nimmt das Risiko auf sich, dass der Betreiber diese Daten an die Regierung übermittelt.“
Unter dem Druck der Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden hat das US-Geheimdienstgericht erstmals eines seiner bisher geheimen Urteile samt weiterführender Rechtsmeinung über die Sammlung von Handynutzerdaten veröffentlicht.
Auf diesen 46 Seiten legt Claire V. Eagan, die zuständige Richterin des Foreign Intelligence Surveillance Courts (kurz: Fisc), nüchtern die herrschende Rechtsmeinung der US-Regierung sowie des Supreme Court in der Frage dar, ob die Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden die Metadaten von Handytelefonaten in Bausch und Bogen absaugen dürfen.
Kurz gesagt: Ja, sie dürfen das. Richterin Eagan zitiert ausführlich die ständige Rechtsprechung des Supreme Courts, allen voran die Leiturteile in den Sachen „Smith v. Maryland“ aus dem Jahr 1979 und „Katz v. United States“ aus dem Jahr 1967. Ihre Quintessenz lautet so: Wenn FBI, lokale Polizei, NSA oder CIA ein Telefonat in einem amerikanischen Netz belauschen wollen, müssen sie das richterlich genehmigen lassen. Tun sie das nicht, verstoßen sie gegen den vierten Zusatz zur US-Verfassung. Er schützt US-Bürger (im Gegensatz zu Ausländern) vor willkürlichen Hausdurchsuchungen.
Wollen die Behörden hingegen auf die Metadaten von Anrufern zugreifen, also auf Name, Adresse, Telefonnummer, Teilnehmeridentifikation (Imsi), individuelle Gerätenummer (Imei), Zeit der Anrufe – allerdings nicht die geografischen Koordinaten während des Telefonierens –, können sie das auch ohne richterliche Genehmigung machen.
„Keine Privatsphäre“
Dass der Fisc hier trotzdem befasst wird, ist einer Bestimmung im Foreign Intelligence Surveillance Act von 1979 geschuldet. Nach dem Bekanntwerden der jahrelangen Bespitzelung tausender US-Bürger durch die National Security Agency (NSA) führte der US-Kongress damals zumindest eine formale Prüfung durch dieses neue Sondergericht ein.
Im Urteil wird die Rechtssprechung des Supreme Courts so zusammengefasst: „Telefonkunden wissen, dass sie üblicherweise numerische Informationen an das Telefonunternehmen übergeben müssen. Sobald eine Person diese Information an eine dritte Stelle übergeben hat, hat sie keine legitime Erwartung auf Privatsphäre hinsichtlich dieser Information.“
Das Urteil fiel am 19.August nach einem Antrag der Bundespolizei FBI vom Tag davor, der National Security Agency (NSA) für weitere 90 Tage täglichen Zugriff auf die erwähnten Metadaten eines amerikanischen Mobilfunkbetreibers zu gewähren. Dessen Name wurde in der veröffentlichen Version geschwärzt. Die Genehmigung gilt also bis 11.Oktober. Sie wird seit Jahren vom Fisc routinemäßig erneuert.
Bemerkenswerterweise hält Eagan auf Seite 16 ihrer Rechtsmeinung fest, dass bisher kein US-Mobilfunkkonzern Einspruch gegen diese Anordnung zur Datenherausgabe eingelegt hat, obwohl es dazu ein Verfahren gäbe.
„In Österreich undenkbar“
Logischerweise betrifft diese automatische tägliche Datenweitergabe an die NSA jeden, der in einem US-Handynetz telefoniert – also auch Österreicher, die mobil mit oder in den USA telefonieren. Rechtsmittel gibt es dagegen keines. „Das ist wie ein Livestream direkt aus den Telefongesellschaften an die Behörden. In Österreich wäre es undenkbar, dass jemand automatisch Daten absaugt“, sagte der Datenschutzexperte Rainer Knyrim von Preslmayr Rechtsanwälte zur „Presse“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2013)