Bitstrips: Digitale Gefühlsausbrüche

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Das Grundproblem digitaler Kommunikation ist die Schwierigkeit, Emotionen zu transportieren. Das Smiley weicht mittlerweile aufwendigen Comics – derzeit sind Bitstrips sehr beliebt.

Auf Facebook greift – wieder einmal – ein neuer Hype um sich: Bitstrips zeigen mögliche und unmögliche Erlebnisse von Facebook-Nutzern in kindlichen Comic-Bildern. Für fast jede Situation gibt es Vorlagen: den unbefriedigenden Besuch der Betriebskantine, das Glücksgefühl erfolgreicher Heimwerker oder die Anspannung vor einem Marathon. Besonders beliebt unter den Usern sind aber Skurrilitäten – etwa das gegenseitige Bewerfen mit Katzen. Bitstrips sind wie Emoticons, die Geschichten erzählen, digitale Gefühlsausbrüche in leicht lesbaren Kontext setzen, belustigen und nerven. Die Anwendung hat jedenfalls einen Nerv der Zeit getroffen. Bereits in den ersten sieben Monaten, seit Bitstrips zu Jahresbeginn auf Facebook gestartet ist, haben zehn Millionen Nutzer 50 Millionen Comics erstellt und mit Freunden geteilt. Damit landet Bitstrips bereits auf Platz fünf der am meisten genutzten Apps auf Facebook.

Wer mitmachen will, muss zunächst ein Comic-Alter-Ego schaffen. Haarfarbe, Augenfarbe, Gesichtsform, Falten, Kleidungsstil und sogar Statur können gewählt werden. Der Prozess erinnert ein wenig an die Gestaltung von Avataren für diverse (untergegangene) Onlinewelten wie Second Life oder Computerspiele wie „Die Sims“. Die Szene, in der der individuelle Comic-Held und etwaige Comic-Freunde auftreten sollen, muss nicht selbst gestaltet werden. Bitstrips bietet detaillierte Vorlagen für alle Gelegenheiten und schlägt jedem Nutzer täglich einige Highlights aus dem Angebot vor, um auch die Auswahl zu erleichtern. Immerhin: Kreative Individualisten dürfen der fertigen Szene noch Sprechblasen hinzufügen oder die Körperhaltung ihres Avatars ändern. Das Ergebnis wird schließlich wie eine Statusmeldung auf Facebook veröffentlicht.

Emotionslose Kommunikation

Hinter dem Phänomen dürfte nicht nur der Spieltrieb der Internetgeneration stecken, sondern die Sehnsucht danach, den emotionslosen Charakter digitaler Kommunikation zu bekämpfen. Auch Facebook hat dieses Problem längst erkannt, bietet allerdings mit sogenannten Stickern, also aufwendigen Smileys, vergleichsweise wenig Möglichkeit für digitale Gefühlsausbrüche. Die teilweise animierten Figuren ersetzen eingebürgerte Kürzel wie „ROFL“: Statt der Abkürzung für „Rolling on the floor laughing“ ist nun beispielsweise ein Comic-Kätzchen zu sehen, das sich tatsächlich lachend auf dem Boden wälzt.

Emotionen und Gesichtsausdrücke sind ein wesentliches Kommunikationselement, meint Bitstrips-Chef Jacob Blackstock. Dementsprechend können am eigenen Alter Ego selbst einzelne Gesichtsfalten adjustiert werden. Trotzdem bleibt Bitstrips einfach zu bedienen, und selbst Neulinge schaffen in wenigen Sekunden – mehr oder weniger – kreative und witzige Bilder. Nicht einmal Talent beim Fotografieren ist gefragt, wie etwa bei der Foto-App Instagram, mit der Nutzer ebenfalls ihr Leben – meist ist es ihr Essen – in Bildern zur Schau stellen.

Eigentlich gibt es Bitstrips bereits seit 2008, und ursprünglich wurde es vor allem von Lehrern als Lernsoftware eingesetzt. Die Firma bietet seither Lizenzen für Schulen an und hat so seine Anfangsphase finanziert. Lehrer verpacken so etwa Aufgabenstellungen für ihre Schüler in Comics.

Wie so viele beliebte Internetdienste nimmt aber auch Bitstrips mit seiner App noch kein Geld ein. Die Ideen für neue Geschäftsmodelle greifen Bewährtes auf: Einerseits sind Werbeanzeigen geplant, andererseits könnten etwa virtuelle Kleidung und Accessoires kostenpflichtig werden. Letztere Möglichkeit hat bereits einige kostenlose Spiele-Apps in Verruf gebracht – auch kleine Beträge können sich läppern und in Händen von Kindern rasch zur Kostenfalle werden. Klappt es mit dem Geschäft mit virtuellen Kleidern nicht, bleibt immer noch die Möglichkeit, teuer an Facebook, Google oder einen anderen Konzern zu verkaufen. Die Foto-App Instagram hat es vorgemacht.

Facebook-Nutzer, die Bitstrips genauso nerven wie einst das Bauernhofspiel „Farmville“, können den Trend übrigens einfach von ihrer Startseite verbannen. Dazu genügt ein Klick auf den kleinen Pfeil in der rechten oberen Ecke eines Bitstrip-Beitrags. Und schon gibt es statt Comic-Avataren wieder nur „echte“ Freunde.

WEB-HYPES

Emoticon. Ursprünglich Kombinationen aus Sonderzeichen, die einen Gesichtsausdruck wiedergeben. Mittlerweile bestehen Smileys meist aus Grafiken.

Flashmob. Ein überraschender gemeinsamer Auftritt einander nicht bekannter Menschen in der Öffentlichkeit. Organisiert werden Schneeballschlachten, Tänze und mehr zumeist über Online-netzwerke.

Grumpy Cat. Die Antithese zum lächelnden Smiley. Das Foto der mürrischen Hauskatze aus den USA verbreitete sich im Netz wie ein Lauffeuer und wird meist mit Sprüchen kombiniert.

Harlem Shake. Nach "Gangnam Style" die nächste Lied-Tanz-Kombination, die über das Videoportal YouTube zu Weltruhm gelangte und gern auch auf öffentlichen Plätzen getanzt und gefilmt wird (siehe Flashmob).

Selfie. Ein fotografiertes Selbstporträt, meist gekennzeichnet durch einen stark verkürzten Arm, der das Smartphone hält. Die Darstellungsform ist bei Prominenten beliebt - zuletzt wurde US-Präsident Obama beim Posieren für ein Selfie erwischt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2013)

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