Gute Reise, Facebook!

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facebook(c) AP (Paul Sakuma)
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Das OnlinenetzwerkFacebook hat seinen Fluss aus Kurznachrichten, Partyfotos und Link-Empfehlungen entkoppelt und in die weite Welt entlassen.

Facebook verschenkt sein wertvollstes Gut: Das Netzwerk stellt fremden Entwicklern mit dem Datenstrom aus Statusaktualisierungen, hochgeladenen Fotos und geteilten Links sein Herzstück zur Verfügung und riskiert, dass andere Geld machen, womit Facebook lediglich Lob erntet. Entwickler können nun nämlich jenen Neuigkeitenfluss, der Facebook ausmacht, mit beliebigen anderen Diensten kombinieren und als womöglich kostenpflichtiges Programm feilbieten oder zumindest an Werbung verdienen – Facebook verspricht sich davon offiziell nur einen noch größeren Nutzerkreis. Wirtschaftlicher Wahnsinn hin oder her, für Social-Web-Fans ergeben sich durch die Öffnung ganz neue Möglichkeiten.

Netzwerke vernetzt.„Seesmic Desktop“ ist das Vorzeigeprojekt. Hinter dem Programm steht der französische Starblogger, Unternehmer und Sarkozy-Unterstützer Loïc Le Meur. Er hatte ursprünglich einen Webvideodienst gestartet, der allerdings 2008 wegen hoher Kosten und geringem Erfolg beinahe wieder eingestellt werden musste. Vor rund einem Jahr übernahm Seesmic schließlich Thwirl – eine beliebte Anwendung, die mehrere Twitter-Nachrichtenströme anzeigt und nach bestimmten Kriterien filtert und sortiert. Außerdem können mit dem Programm auch direkt Meldungen auf der Internetplattform Twitter veröffentlicht werden. Und seit der Freigabe des Datenstroms von Facebook, lassen sich die beiden beliebten Community-Plattformen gemütlich unter einen Hut bringen. Die Anwendung ist noch sehr simpel gehalten. Der Neuigkeitenfluss des eigenen Facebook-Freundeskreises kann betrachtet und mit eigenen Kurzmeldungen, Fotos oder Links ergänzt werden. Besonders angenehm: Mit einem Klick auf das Foto eines Freundes kann man diesen einer speziellen Freundesliste hinzufügen. Dadurch ist es möglich, einen Nachrichtenfluss mit ausgewählten Twitter- und Facebook-Freunden zu generieren. Um Neuigkeiten von Facebook-Freunden zu kommentieren, muss man bereits wieder auf die Facebook-Homepage surfen. Bisher liegt der Vorteil also eigentlich darin, Neuigkeiten von Twitter und Facebook kombiniert an einem Ort betrachten zu können. Seesmic Desktop läuft derzeit nur auf Windows-PCs, hält sich dort auf Wunsch im Hintergrund und meldet sich mit einem unaufdringlichen Fenster, wenn es Neuigkeiten gibt. Mac-Besitzer können auf das Programm Tweetdeck zurückgreifen, das ganz ähnliche Funktionen bietet.

Gratis? Nicht mehr lange. Seesmic Desktop wurde bereits rund 1,5 Millionen Mal heruntergeladen, noch bietet Le Meur sein kleines Programm schließlich kostenlos an. Aber der findige Unternehmer überlegt bereits, wie er dieses Angebot in bare Münze verwandeln könnte. Möglich wäre etwa eine kostenpflichtige Profiversion für Unternehmen, verrät er in einem Gespräch mit der New York Times.

Für den befreiten Neuigkeitenstrom von Facebook ist die Reise noch lange nicht zu Ende. Offenbar plant Microsoft eine ganze Palette spannender Anwendungen für den Windows-Desktop. In einer ersten Präsentation war mit „Facebook Faboolous“ ein optisch besonders schicker Seesmic-Klon zu sehen. So richtig aufhorchen darf man aber bei der Ankündigung der „Facebook Photocloud“, die ein mächtiges Verwaltungstool für die Massen an Facebook-Fotos verspricht. Ob Microsoft es wagen wird, mit neu verpackten Facebook-Inhalten Geld zu verdienen, oder ob Facebook doch noch Werbeplätze vergibt, bleibt abzuwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2009)

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