Ein ehemaliger Mitarbeiter, der mit 600 Kollegen die Löschanträge von Facebook-Nutzern bearbeitete, erzählte "Mobile Geeks" welches Regelwerk dem Vorgehen zugrunde liegt.
Bei Facebook Postings zu melden, ist ebenso effektiv wie eine Beschwerde beim Salzamt vorzubringen. Mark Zuckerberg gerät deswegen auch verstärkt unter Druck, denn das Thema ist in den Regierungen der einzelnen Länder angekommen. Die deutsche Plattform "Mobile Geeks" hatte ein Gespräch mit einem ehemaligen Facebook-Mitarbeiter, der dafür zuständig war, genau diese Beschwerden abzuarbeiten.
Die Person wollte namentlich nicht erwähnt werden, erklärte aber gegenüber dem Autor Carsten Drees, dass die Bearbeitung nicht intern bearbeitet wird, sondern ähnlich einem Call-Center ausgelagert wird. Beschäftigt war die Person bei Arvato AG, einer Bertelsmann-Tochter, die Facebook als exklusiven Kunden hat.
Mehr als 600 Mitarbeiter sind dort für die deutschen Facebook-Meldungen zuständig. Das Team wird bei Spezialfällen durch die Facebook-Niederlassung in Irland unterstützt. Das seien zum Beispiel Selbstmordversuche, Kindesmissbrauch.
10.000 Tickets für 15 Personen pro Tag
Von diesen 600 Mitarbeitern seien den Aussagen des ehemaligen Mitarbeiters knapp 15 Personen nur damit beschäftigt, gemeldete Profile zu überprüfen. Das FNRP-Team (Fake Not Real Person) hat mit den gemeldeten Beiträgen nichts zu tun. Aber alleine dieses Team bekommt täglich 10.000 Tickets. Pro Person bedeutet das ein Überprüfen von 667 Facebook-Konten. Eine Anzahl, die sich in einem regulären Acht-Stunden-Tag nur schwer bewältigen lässt. Dem ehemaligen Mitarbeiter zufolge sind Profilname und hochgeladene Fotos entscheidend. Auch eine Software wird zur Überprüfung beigezogen.
Das restliche Team beschäftigt sich täglich mit durchschnittlich 4000 bis 5000 Tickets täglich. Deutlich weniger, aber auch aufwändiger, wie der Insider gegenüber Carsten Drees bestätigt. Die Software könne hier nur schwer filtern. Das meiste müsse von Mitarbeitern geprüft werden und dabei gibt es zwei verschiedene Kategorien mit Unterteilungen. Ein 48-seitiges Manual bekommen die Mitarbeiter für ihre Arbeit, um anhand diesem zu entscheiden. Dabei handelt es sich um strikte Regeln, die nur wenig Spielraum lassen.
Unter die PC (Protected Category) fallen zum Beispiel Mitglieder einer Religion, wobei nicht alle Religionen als grundsätzlich geschützt gelten. Das Thema "Flüchtlinge" fällt unter die Kategorie QPC (Quasi Protected Category). Insgesamt handelt es sich um neun Kategorien, zwischen denen unterschieden wird.
"Wir mutmaßen nicht"
Wenn nun ein Hassposting vorliegt, stellt sich die Frage ob zur Gewalt aufgerufen wird. Dann wird sie automatisch gelöscht. Ist in einem Posting die Rede von "Nur für Weiße", dann ist es laut Facebook eine Inklusion und stellt keinen Grund für eine Löschung dar. Anders verhält es sich, wenn im Posting steht "Hier nicht für Schwarze", dann handelt es sich um eine Exklusion, also um den Ausschluss einer Rasse und dann wird es gelöscht. Die Konnotation spielt kaum eine Rolle.
"Wir mutmaßen nicht, was der Verfasser des Beitrages gemeint haben könnte – auch wenn es für viele offensichtlich ist. Es ist für Facebook hier einfach zu schwierig, eine klare Grenze zu ziehen, solange der Verstoß gegen die PC nicht vollständig offensichtlich ist", erklärt der ehemalige Mitarbeiter gegenüber "Mobile Geeks".
Wie auch vor Gericht gilt die Grundregel "Im Zweifelsfall für den Angeklagten". Wie zum Beispiel bei den schon oft gemeldeten Nutzern "Hagen Kreuz". Ein nicht sehr untypischer Username auf Facebook. Der Name Hagen sei aber gebräuchlich und auch Kreuz sei gängig, weswegen keine Löschung vorgenommen wird. Den Mitarbeitern bei Arvato AG sind aufgrund des Facebook-Regelwerks die Hände gebunden, denn die Profilbilder werden nicht bei der Überprüfung in Zusammenhang gebracht.
Mark Zuckerberg gefordert
In einigen Fällen ziehen derartige Profile mit weiteren Kommentaren eine größere Aufmerksamkeit auf sich, weswegen Facebook dann doch nachgibt, aber das sei dem Informanten zufolge die Ausnahme. Damit sind aber weiterhin Personen, die es schaffen, in ihren Kommentaren eine eindeutige Konnotation schaffen, vor Restriktionen durch Facebook sicher. Nur jene, die explizit und klar ihre Gewaltandrohungen formulieren, fallen unter das Radar.
Die Mitarbeiter, so der Insider, sind über den jetztigen Zustand ebenso wenig erfreut, wie viele Facebook-User selbst. Hier sind die Regierungen gefragt, die durch die zum Beispiel in Deutschland angeregten Ermittlungen gegen Mark Zuckerberg wegen Verdachts auf Beihilfe zur Volksverhetzung endlich agieren müssen.
>>> Hier geht's zum vollständigen Bericht von Mobile Geeks.
(bagre)