Vorratsdaten: Weshalb der Hut brennt

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Alles, was durch die lückenlose Aufzeichnung der Telekommunikation anfällt, kann und wird künftig gegen Staatsbürger eingesetzt werden. Ein Nein zum Überwachungsgesetz wird es nicht geben.

Österreich steht in den nächsten Wochen ein bürgerrechtlicher Paradigmenwechsel bevor. Alles, was durch die lückenlose Aufzeichnung der Telekommunikation anfällt, kann und wird künftig gegen Staatsbürger eingesetzt werden. Die Vorratsdatenspeicherung wird die Verfolgung von Whistleblowers und Missstandsaufzeigern erheblich erleichtern. Unter dem Verweis auf eine 2006 ergangene EU-Richtlinie drängen insbesondere die VP-geführten Ministerien für Inneres und Justiz auf Umsetzung. Der Koalitionspartner SPÖ steht trotz einiger kritischer Stimmen innerhalb der Partei mit dem Rücken zur Wand. Ein Nein zum Überwachungsgesetz wird es nicht geben. Warum eigentlich? Weil die Sozialdemokraten die Tragweite des Themas verkannt und dann jahrelang nicht ernst genug genommen haben. Jetzt wird die Zeit knapp, denn schon einmal hat der EuGH Österreich verurteilt, weil die Umsetzung der Richtlinie überfällig ist. Demnächst setzt Brüssel eine letzte, kurze Frist. Verstreicht auch die, drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe. Also drückt man nun lieber ein Auge zu und spart sich Negativschlagzeilen auf Kosten der Grundrechte.

Dabei sind Kritiker bis in die höchsten Kreise der Partei vertreten. Die für einen Teil des Gesetzes zuständige Infrastrukturministerin, Doris Bures, hat sich in der Vergangenheit kritisch zur systematischen Datenspeicherung geäußert, aber stets darauf verwiesen, dass die EU die Regeln vorgebe.

Faymann kritisch

Ganz ähnlich auch Kanzler Werner Faymann, dem das Thema als Infrastrukturminister zunächst kein Anliegen war, um sich später ebenfalls kritisch dazu zu äußern. Unter anderem in einem Interview mit der „Presse“ („massive Bedenken“) oder in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage („Die Umsetzung der EU-Richtlinie ist unabhängig von meiner persönlichen Meinung vorzubereiten“). Streng genommen waren anfängliche Ignoranz und spätere Verzögerungstaktik der Sache wenig dienlich. Weil die Richtlinie bis heute nicht umgesetzt ist, waren auch keine Klagen beim Verfassungsgericht möglich. Und jetzt, nach einer ersten Verurteilung durch den EuGH, ist ein wichtigeres Interesse hinzugekommen: Strafzahlungen sind zu vermeiden. So tat man sich zuletzt auch bei einem innerkoalitionären Abtausch von Interessenlagen leichter. Die SPÖ stimmte der erleichterten Herausgabe von Vorratsdaten an Polizei und Staatsanwalt u.a. deshalb zu, weil die ÖVP im neuen Fremdenrecht bei der Schubhaft Zugeständnisse machte.

Seit dem Deal im Ministerrat vom 22 .Februar wird Kritik nicht mehr gerne gehört. Auch wenn ein Papier des Datenschutzrates das Vorhaben als „ernste Gefahr für die Freiheit der Bürger“ qualifizierte. Vorsitzender des Datenschutzrats ist SP-Abgeordneter Johann Maier. Die Frage, ob er dem Gesetz zustimmen könne, beantwortet er so: „Das werde ich nach der parlamentarischen Diskussion entscheiden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2011)

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