Myspace: Verkauft für eine Handvoll Dollar

(c) AP (Paul Sakuma)
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Rupert Murdoch verscherbelt Myspace um 35 Mio. Dollar an eine unbekannte Werbefirma. 2005 legte er noch 580 Mio. Dollar für die sterbende Internet-Legende auf den Tisch.

Wien. Als die vier jungen Briten aus Sheffield ihren ersten Plattenvertrag unterzeichneten, waren sie bereits Stars. 363.735 Stück ihres Debütalbums „Whatever People Say I Am, That's What I'm Not“ gingen in der ersten Woche über den Ladentisch. Schneller als die Arctic Monkeys im Jahr 2005 spielte sich bis dahin keine Band an die Spitze der britischen Charts.

„Keine Ahnung, was Myspace ist“

Ihren schnellen Erfolg verdanken sie nicht geschickten Werbestrategen, sondern ihren Fans im Internet. „Myspace macht Arctic Monkey zu Stars“, feierten die Zeitungen das damals größte digitale Netzwerk als ideales Sprungbrett für Künstler. Nur die Arctic Monkeys selbst dürften davon nicht allzu viel mitbekommen haben. „Als wir Nummer eins in England wurden, gab es viele Berichte darüber, wie uns Myspace geholfen hat. Wir hatten aber nicht die leiseste Idee, was Myspace ist“, sagte die Band im Herbst 2005 dem Musikmagazin „Prefix“.

Besser informiert war damals Rupert Murdoch, der Gefallen an der Kontaktbörse fand und die Seite im selben Jahr um 580 Mio. US-Dollar kaufte. Sechs Jahre später ist davon wenig übrig. Am Donnerstag stieß Murdochs News Corp. das Netzwerk nach mehreren Anläufen ab. Gerade einmal 35 Mio. Dollar soll die kalifornische Online-Werbefirma Specific Media für das Portal bezahlt haben. Mit an Bord ist Musiker und Schauspieler Justin Timberlake, der künftig auch in strategischen Fragen mitreden möchte.

Für den Medienzar Murdoch ist der kolportierte Kaufpreis eine herbe Niederlage. Für Myspace markiert der gestrige Tag den bisherigen Tiefpunkt in der Unternehmensgeschichte. Und das just in einer Zeit, in der soziale Netzwerke im Internet boomen.

Wie konnte es nur so weit kommen?

Selbst von Twitter überflügelt

Anfangs investierte Murdoch noch begeistert weitere Millionen in die Entwicklung der Online-Plattform. Dank einer Kooperation mit Google lief das Unternehmen die ersten Jahre sogar profitabel. Doch seit die millionenschweren Verträge mit Google im Vorjahr ausliefen, ging es steil bergab. Die Einnahmen brachen ein, im Unternehmen kam es zu Massenkündigungen.

„Die Leute, die nach uns gekommen sind, waren selbst nie Myspace-Nutzer“, erklärt Chris DeWolf den Absturz. Er hat Myspace 2003 mit Tom Anderson als Alternative zum damaligen Marktführer Friendster gegründet. „Sie hatten es einfach nicht in der DNA.“ Einer der größten Fehltritte war wohl, dass Myspace die Öffnung für externe Entwickler verpasst hatte. Statt wie Facebook auch Dritte Programme für die Seite entwickeln zu lassen, behielten die neuen Macher alles in ihrer Hand. Die Folge waren wenige und teils schlampig umgesetzte Neuerungen.

„Myspace hatte die richtige Idee, wie eine Band im Internet 900.000 Fans bekommen kann“, zollt Kent Lindstrom, der frühere Geschäftsführer von Friendster, den Gründern immer noch Tribut. „Aber das ist, was Twitter wurde. Myspace hat unterdessen an Musikplayern und Videos gebastelt. Am Ende stellte sich heraus, dass das alles gar nicht nötig ist.“

Zuletzt verlor die Seite monatlich zehn Millionen Mitglieder. Mit den Nutzerzahlen gingen auch die Werbeeinnahmen drastisch zurück. 2009 machte Myspace 470 Mio. Werbedollar. Heuer werden es nur noch 184 Mio sein. Heute zählt das Online-Netzwerk 63 Millionen Nutzer. Weniger als Twitter und LinkedIn. Der neue Platzhirsch Facebook spielt mit 600 Millionen Nutzern ohnedies in einer anderen Liga.

Auf einen Blick

Myspace, das einst größte soziale Netzwerk im Internet, wechselt für 35 Mio. Dollar den Besitzer. Vor sechs Jahren hatte Rupert Murdoch noch 580 Mio. Dollar für die Seite bezahlt. Doch zuletzt verlor das Unternehmen monatlich zehn Millionen Mitglieder. Gemeinsam mit den Nutzerzahlen brachen auch die Werbeeinnahmen ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2011)

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