Wie das Internet für uns bestimmt

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Mit den Algorithmen von Facebook, Amazon, Google News und Co. dringt die automatische Ordnung immer tiefer ins Privatleben ein.

Hunderte Millionen Gigabyte an Daten schwirren täglich durch das Internet. Auf der Suche nach einer konkreten Information muss der Abenteuerdrang deshalb in der Regel gezügelt werden, und das Filtern und Stöbern wird automatischen Berechnungen überlassen. Die Suchmaschine Google ist aus dem Internetalltag nicht mehr wegzudenken und ihre Methode, Suchergebnisse nach Relevanz zu ordnen, längst Gewohnheit. Der sogenannte „PageRank“ basiert ganz einfach darauf, wie oft bestimmte Inhalte auf welchen Webseiten verlinkt sind. Das hat auch Nachteile. Populäre Inhalte erscheinen in den ersten Rängen, und die meisten Nutzer kommen kaum über die obersten zehn Einträge hinaus. Alternative oder neue Ansätze verschwinden meist in den Untiefen der oft Dutzenden Seiten der Ergebnisliste. Mittlerweile wird das Internet aber von zahlreichen weiteren Algorithmen bestimmt, die Nutzern Entscheidungen abnehmen, Freundschaften analysieren, Vorlieben erkennen und angeblich sogar die perfekten Ehepartner zueinander führen.

Beziehungspunktestand

Facebook bestimmt täglich für hunderte Millionen Nutzer, welche Neuigkeiten aus dem Freundes- und Bekanntenkreis am wichtigsten sind. Es gibt zwar auch eine simple chronologische Ansicht, aber ohne Zutun des Nutzers werden nur ausgewählte Meldungen angezeigt, nicht alle. Dafür hat das Netzwerk einen komplizierten Algorithmus entwickelt, in den verschiedene Faktoren einfließen. Der „EdgeRank“ berücksichtigt, wie alt ein Beitrag ist, ob er ein Foto, Status-Update oder bloß ein „Like“ ist und das Verhältnis zwischen dem Autor und dem Leser. Diese Beziehung zwischen zwei Facebook-Nutzern bewertet der Algorithmus wiederum mit Punkten, dem „affinity score“. Das System stuft soziale Beziehungen als enger ein, wenn gegenseitig die Profile häufiger angeklickt werden und öfter Nachrichten an einander versendet werden. Auf dieser Basis serviert uns Facebook schließlich die vermeintlich wichtigsten Nachrichten aus dem Freundeskreis.


Nur populäre Nachrichten. Aber auch an vielen anderen Stellen entscheidet das Internet, was für einen bestimmten Menschen das Wichtigste und Beste ist. Google News zum Beispiel ermittelt automatisch die wichtigsten Nachrichten des Tages. An die Stelle der klassischen redaktionellen Themengewichtung tritt also wieder ein Algorithmus. Wie genau er funktioniert, erklärt Google nicht. Das Grundprinzip schon. Nachrichtenwebseiten werden nach ihrem thematischen Schwerpunkt beurteilt, aber auch danach, wie oft sie eigenständige „Exklusiv“-Artikel liefern und wie oft andere Nachrichtenquellen auf sie verweisen. Höher gereiht werden außerdem Artikel von Quellen, die öfter von Nutzern aufgerufen werden. Leider, und das gestand der Macher von Google News auch ein, geht dabei eine wichtige Aufgabe von Nachrichtenmedien verloren. Nämlich die, auch auf nicht populäre Randthemen aufmerksam zu machen.

Last but not least berechnet das Internet auch die persönlichen Vorlieben seiner Nutzer. Dafür sorgen zum Beispiel Algorithmen bei Online-Shops wie Amazon, die aus dem Surfverhalten des Kunden ermitteln, „welche Produkte ihm noch gefallen könnten“. Genau so funktionieren auch die meisten Werbebanner auf diversen Webseiten, die genau auf das eigene Konsumverhalten abgestimmt scheinen und es tatsächlich meist auch sind. Und es sind immer mehr solcher Automatismen, die den Internetalltag bestimmen: iTunes etwa kennt den Musikgeschmack seiner Nutzer vermeintlich besser als sie selbst. Dass das automatische Finden ähnlicher Lieder keine triviale Sache ist, verrät der Musikdienst Pandora, der Lieder für sein Matching-System mit bis zu 400 Attributen versieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2011)

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