Internet: Hort der Hassblogger

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Seit den Attentaten von Norwegen stehen radikale Weblogs im Fokus: Wie die Autoren ticken, welche Ideologien sie vertreten, und warum deutliche Worte nicht automatisch strafbar sind.

Anders Behring Breivik, der Papst im Vatikan und (die fiktive) Hermine Viertler aus dem niederösterreichischen Rappoltenkirchen eint wenig. Alle drei sehen die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven. Und genau das verbindet sie. Breivik, der Papst und Frau Viertler haben nämlich ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Auch im Internet.

Während der Heilige Vater auf seiner Homepage jedoch Frieden auf Erden, und Hermine Viertler in einem regionalen Forum allenfalls den Rücktritt des Bürgermeisters fordert, veröffentlichte der 77-fache Mörder aus Norwegen auf verschiedenen Webseiten krude gesellschaftliche Thesen. Seither brodelt eine Debatte darüber, wo Meinungsfreiheit endet und ob moderne Staaten den Cyberspace lieber zu viel als zu wenig überwachen sollten, denn: Das weltweite Datennetz hat sich in bestimmten Kreisen längst als Hauptvertriebsweg für extremistische Weltanschauungen aller Art etabliert. Wie?

Die häufigste Erscheinungsform sind sogenannte Weblogs, kurz auch Blogs genannt. Die großteils vorgefertigten Softwarelösungen erlauben selbst Laien einigermaßen professionell im Internet zu publizieren. Ihre Zahl geht in die Millionen, die meisten sind harmlose Online-Tagebücher. Andere bekennen sich offen zum Nationalsozialismus. So wie www.alpen-donau.net, für dessen Betrieb u.a. der in U-Haft sitzende Gottfried Küssel verantwortlich gemacht wird. Doch auch alle anderen Ideologien finden im virtuellen Raum ihr Forum. Stellvertretend seien hier einige wenige (siehe auch Illustrationen oben) genannt.

Der „Ansar al Haqq“-Blog propagiert den „islamischen Staat als einzig wahre Lösung“, bezeichnet die Demokratie als „Götze des Westens“, die dem Islam „in seinen Grundfundamenten widerspricht“. Das andere Extrem ist die Seite „Gates of Vienna“, die ein fanatisch antimuslimisches Weltbild predigt und auf die sich auch Anders Behring Breivik bezog. Radikale Tierschützer organisieren sich auf „Bite Back Germany“, wo Anschläge auf Tiertransporte gutgeheißen werden und dazu aufgerufen wird, sich bestimmte Pelzfarmen „vorzuknöpfen“. Luftbilder, Lage- und Anfahrtspläne inklusive.

Katholische Kampfschrift. Oder kreuz.net, die Plattform fundamentalistischer Katholiken. Hier hetzen radikale Christen gegen den deutschen Theologen David Berger, der sich als homosexuell geoutet hat. Die Bezeichnung „Vorzeige-Schwuchtel“ gehört dabei noch zu den höflicheren. Doppeldeutig ist da zu lesen: „Von Bluttaten gegen Homo-Gestörte wird eindringlich abgeraten, weil dabei eine akute Gefahr der Ansteckung mit Aids besteht.“ Auch Kommentare des unlängst aus der FPÖ ausgeschlossenen Abgeordneten Werner Königshofer erschienen regelmäßig auf kreuz.net. Der Mandatar hatte die norwegischen Terroropfer gegen die „Millionen Opfer“ der Abtreibungsgegner aufgerechnet.

Für den Medienpsychologen Peter Vitouch sind Hassblogger „arme Leute“, die sich stark an (ihren eigenen) Normen orientieren. Alles, was über diese Normen hinausgeht (sexuelle Ausrichtung, politische Gesinnung, Ethnie), mache ihnen Angst. Daraus entstehe dann Aggression, mit deren Hilfe die Betroffenen ihre eigene Normalität durchsetzen wollen. Das geschehe fast immer „nur“ mit Worten. Vom Schreibtisch aus. Attentäter wie Anders Breivik seien da eher die Ausnahme. Und: „Diese Leute haben oft faktisch gar keinen Kontakt mit der angefeindeten Gruppierung“, sagt Vitouch. Auf Breivik trifft das zu. Nur 1,6Prozent der Norweger sind Muslime.

Aber wie umgehen mit Personen, deren Äußerungen über das Internet weltweit Gehör finden und dabei am schmalen Grat zwischen Strafrecht und Meinungsfreiheit balancieren?

„Nur weil jemand die Demokratie ablehnt, können wir nicht gleich ermitteln“, sagt Peter Gridling, Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Das verbiete das Gesetz. Gridling hatte unmittelbar nach Bekanntwerden der Internetaktivitäten von Breivik den Wunsch geäußert, in Zukunft fragwürdige, aber nicht strafbare Äußerungen Betroffener präventiv in eine Datenbank aufnehmen zu dürfen, um diese mit anderen vorliegenden Informationen zur Person zu verknüpfen. Es bestehe die Hoffnung, mit dieser „erweiterten Gefahrenerforschung“ für Einzelpersonen weltanschaulich motiviertem Terror vorzubeugen.

„Beobachten“ darf der Staatsschutz einschlägige Websites aber schon heute. Das heißt dann Bewirtschaftung und Analyse offener Quellen. Anlassloses Stöbern im Internet übersteigt jedoch die eigenen Ressourcen. Dafür hat das Amt schlichtweg zu wenig Mitarbeiter.

Freiheit hat Grenzen. Rein rechtlich gesehen sind die Äußerungen eines Anders Breivik oder die Thesen des „Ansar al Haqq“-Blogs fast immer zulässig. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schützt die Meinungsäußerung auch dann, wenn ihr Inhalt „schockierend“ oder wider den Mainstream ist. Ein Argument, mit dem vor allem Nationalsozialisten das Verbotsgesetz angreifen und sich selbst in der Opferrolle darstellen.

Trotzdem erlaubt die Meinungsfreiheit nicht alles. Das gilt laut Hannes Tretter, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte, vor allem dann, wenn eine Äußerung die Rechte Dritter verletzt. Basis dafür sind eine Empfehlung des Europarats und ein Rahmenbeschluss der EU. Demnach endet Meinungsfreiheit dann, wenn sie als auf Hass gegründete Form von Intoleranz auftritt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2011)

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