Es seien Personen betroffen, die "keinen Anlass für Datenspeicherung gegeben haben". Das könnte der EU-Grundrechtscharta widersprechen. Mehr als 11.000 Menschen haben Beschwerde beim VfGH eingelegt.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) schaltet in der Frage der Vorratsdatenspeicherung den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. In Behandlung österreichischer Anträge entstanden bei den Verfassungsrichtern Bedenken, dass die nicht nur das österreichische Recht, sondern sogar die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung dem in der EU-Grundrechtecharta verankerten Grundrecht auf Datenschutz widersprechen könnte. Deshalb wurde dem EuGH ein 30-seitger Fragenkatalog zur Vorab-Entscheidung vorgelegt. Durchschnittlich muss man auf eine solche 16 Monate warten.
"Die Vorratsdatenspeicherung betrifft fast ausschließlich
Personen, die keinen Anlass für die Datenspeicherung
gegeben haben. Die Behörden ermitteln ihre Daten und
sind über das private Verhalten solcher Personen
informiert. Dazu kommt das erhöhte Risiko des
Missbrauchs", erklärt VfGH‐Präsident Gerhart Holzinger
die Bedenken der 14 Verfassungsrichter in einer Aussendung.
Mehr als 11.000 Personen beschwerten sich
Anlass dafür sind Anträge der Kärntner Landesregierung, eines Angestellten eines Telekommunikationsunternehmens, sowie zusammengefasst von mehr als 11.000 Privatpersonen gegen das österreichische Telekommunikationsgesetz über die Vorratsdatenspeicherung. Dieses Verfahren wird mit dem Vorlagebeschluss an den EuGH unterbrochen, es bleibt aber bis auf Weiteres in Kraft. Denn der VfGH kann es nicht von sich aus vorläufig außer Kraft setzen.
Sollte der EuGH zu dem Urteil gelangen, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht mit dem Grundrecht auf Datenschutz vereinbar ist, würde das nicht nur für Österreich, sondern für die ganze EU Auswirkungen haben. Denn dann müsste die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die für alle 27 Mitgliedstaaten gilt, neu geregelt werden.
Datenschützer skeptisch
Dass das aber passiert, wird zumindest von Datenschützern bezweifelt. "Nach allen bisherigen Erfahrungen fürchte ich, dass es zu keiner Aufhebung kommt", meint Hans Zeger, Obmann von Arge-Daten. Zumindest zu keiner vollständigen. Aber die Sicherheitsbestimmungen zum Schutz der gespeicherten Daten könnten etwas verschärft werden. Es könnte auch so geregelt werden, dass die vorliegenden Daten nur bei bestimmten Vorfällen genutzt werden und für eine Weile nicht gelöscht werden. So werde es etwa in den USA gehandhabt. "Nur: So kreativ schätze ich den EuGh nicht ein", meint Zeger.
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Dass der VfGH in der Prüfung der Beschwerden gegen das heimische Telekommunikationsgesetz auch die EU-Charta als Maßstab nimmt, beruht auf einer Grundsatzentscheidung vom Mai 2012. Damals stellte der VfGH fest, dass in Verfahren, in denen Unionsrecht eine Rolle spielt, die Grundrechtecharta der EU wie die Verfassung zu sehen ist - der VfGH also auch Gesetze aufheben kann, die zu ihr im Widerspruch stehen. Mit der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen EU-Charta habe sich "der Standard des Grundrechtsschutzes in der EU sehr verbessert", konstatierte Holzinger.
(APA/db/ib)