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Das Internet der Dinge verspricht eine smarte neue Welt. Aber ist da noch Platz für uns Menschen?

Einen Teil des Zeilenhonorars für diese Kolumne muss ich wohl an einen Kollegen abtreten, den „Profil“-Wirtschaftskapazunder Michael Nikbash. Aber ein Facebook-Posting macht persönliche Erlebnisse nun einmal zu einer öffentlichen Angelegenheit – und einer seiner Einträge neulich war zu kurzweilig und denkwürdig: „Weihnachten bringt Technologievorsprung. Und so stehe ich im Badezimmer und verbinde mein Smartphone ungläubig mit meiner neuen Bluetooth-Zahnbürste (welch Wortwitz!). ,Sie sind jetzt mit ihrer Zahnbürste verbunden‘, bedroht mich das Telefon. Google will meine Zahnputzstatistik, die Oral-B-App auf meinen Kalender zugreifen. Ich lösche die App und greife zu einem wohltuenden Buch. Torbergs ,Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten‘.“ Diese Meta-Anekdote als Screenshot im „Maschinenraum“-Ordner auf der Festplatte abzulegen war ein rasch gefasster Entschluss – unter einem Stichwort, das der legendären Friedrich-Torberg-Schöpfung Tante Jolesch freilich unverständlich gewesen wäre: LOL. Ein neumodernes Synonym für „Laugh Out Loud“, also wieherndes Gelächter.

Aber, unter uns, das Lachen verging mir rasch. Spätestens bei der Lektüre des 656 Seiten dicken Pamphlets „Smarte Neue Welt“ von Evgeny Morozov („einer der brillantesten Internettheoretiker unserer Zeit“, so „Die Zeit“), erschienen im Blessing-Verlag. Denn hier wird uns Fortschrittsgläubigen eine Predigt gehalten, die sich gewaschen hat. Die digitale Revolution lässt ja die Spezies Mensch zunehmend ineffizient, unberechenbar und ungenügend erscheinen – kurzum: suboptimal. Und irgendwie von gestern. Die Lösung für dieses vermeintliche Problem heißt mehr Technik – mehr Daten, mehr Rechenleistung, mehr Kontrolle. Diese Ideologie, so Morozov, sei verhängnisvoll. Nur eine kluge, vorausschauende Vermählung des analogen Daseins mit dem alles verschlingenden digitalen Universum würde die Eckpfeiler unserer Existenz absichern: Empathie, Kreativität, Demokratie und Selbstbestimmung. Und, nein, Evgeny Morozov (der in der „FAZ“ auch eine unregelmäßig erscheinende Kolumne schreibt) ist kein blindwütiger Maschinenstürmer. Man kann über das Internet der Dinge – das die kühle Welt der Algorithmen mit dem Alltagsleben verzahnt wie eine Bluetooth-Zahnbürste – gleichermaßen lächeln wie über die Naivität eines Großteils des österreichischen Politikpersonals.

Mehr unter http://groebchen.wordpress.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2016)

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