Lumia 900 und Lumia 610: Nokias ungleiches Paar im Test

Lumia Lumia Nokias ungleiches
Lumia Lumia Nokias ungleiches(c) Presse Digital (Daniel Breuss)
  • Drucken

Das neue Flaggschiff hebt sich nur gering von bereits erhältlichen Nokia-Windows-Phones ab. Das Einsteigermodell ist für manche Apps unbrauchbar. Punkten können beide durch vorinstallierte Navi-Software.

Nokia und Windows Phone, diese Kombination soll sowohl die Finnen, als auch Microsoft zum Smartphone-Erfolg führen. Die aktuellsten Vertreter auf dem heimischen Markt sind dafür das Flaggschiff Lumia 900 und die Sparvariante Lumia 610. Das Problem bei Windows Phone: Auf den ersten Blick wirken alle Geräte wegen der einheitlichen Oberfläche recht ähnlich. Man könnte also schnell glauben, dass die Unterschiede bis auf Gehäuse und Display vernachlässigbar sind. Gleich vorweg: Das wäre ein fataler Irrtum.

Displayriese

Das Lumia 610 ist Nokias Einstiegs-Modell in die Welt der Windows Phones. Durch diverse Einsparungen konnte der Preis auf unter 230 Euro (vertragsfrei im freien Handel) gedrückt werden. Beim Lumia 900 sind es ohne Vertrag mehr als 500 Euro. Dafür erhält man aber auch das Nokia-Handy mit dem größten Touchscreen: 4,3 Zoll dürfen es sein, die Auflösung ist mit 800 x 480 Bildpunkten aber genauso hoch wie beim 3,7-Zoll-Schirm des 610ers. Dessen LCD-Technik kann aber bei Helligkeit, Kontrast, Farben sowie Schwarzwert mit dem AMOLED-Schirm des Lumia 900 nicht einmal annähernd mithalten.

Um einen so großen Touchscreen unterzubringen, ist das neue Nokia-Flaggschiff auch alles andere als klein. Es überragt das Lumia 610 in der Breite um etwa einen halben und in der Höhe um einen ganzen Zentimeter. Mit 159 Gramm wiegt das Lumia 900 auch um ein Fünftel mehr als das Einsteigermodell. Es fühlt ich auch nicht so angenehm an wie das Lumia 610 oder sein Design-Pendant, das Lumia 800. Dafür besitzt es mit 16 Gigabyte den doppelten Platz für Fotos, Videos und Apps, sowie mit 512 Megabyte RAM den doppelten Arbeitsspeicher.

Zu schwach für wichtige Apps

(c) Presse Digital (Daniel Breuss)

Damit wären wir schon beim größten Kritikpunkt, sowohl am Lumia 900 als auch am Lumia 610 - nur aus ein bisschen unterschiedlichen Richtungen. Aufgrund seines mickrigen Arbeitsspeichers kann Nokias Spar-Smartphone zahlreiche wichtige Apps nicht installieren. Dazu zählt etwa die beliebte Internet-Telefonie-App Skype. Mangels Frontkamera wären die Videochat-Funktionen ohnehin nicht nutzbar, aber die App hätte ja auch für normale VoIP-Gespräche herhalten können. Das spielt es aber nicht, genausowenig wie "Angry Birds", das ebenfalls den Dienst verweigert. Wie es mit zukünftigen Apps aussehen wird, lässt sich nicht abschätzen.

Konkurrenz aus eigenem Haus

Warum der Arbeitsspeicher, beziehungsweise die Leistungsdaten ein Kritikpunkt für das Lumia 900 sind? Ganz einfach. Anfang des Jahres kam das Lumia 710 auf den Markt. Es bietet (wie das Flaggschiff) einen Prozessor mit 1,4 Gigahertz und mit 512 MB exakt denselben Arbeitsspeicher. Ohne Vertrag ist es im Handel schon für unter 200 Euro zu haben. Klar, Kamera, Design und Display beim Lumia 900 sind besser. Allerdings nicht um 300 Euro besser. Für ein Vorzeigegerät hätte Nokia dem Smartphone schon etwas mehr Auflösung oder Leistung spendieren können. Während die Android-Konkurrenz bereits Handys mit 720p-Auflösung und vier Rechenkernen vorzeigen kann, rangiert Windows Phone immer noch bei 800 x 480 und einem Kern.

Natürlich kann man jetzt wie Nokias CEO Stephen Elop damit argumentieren, dass die Rechenkerne bisher kaum wirklich ausgereizt werden. Und das Lumia 900 läuft auch mit nur einem Kern sehr flott und zuverlässig. Im Gegensatz zum Lumia 610, das nur über 800 Megahertz verfügt, sind die Startzeiten für Apps oder der Seitenaufbau bei Websites deutlich flotter. Die älteren Geschwister Lumia 710 und Lumia 800 sind hier aber genauso flott. Letzteres ist ohne Vertrag für unter 350 Euro zu haben. Dennoch merkt man im Alltag beim Lumia 610 nur selten, dass der Prozessor eine geringere Taktfrequenz besitzt.

Brave Kamera

Bei der Lumia-900-Kamera lässt Nokia dafür ein bisschen die Muskeln spielen. 8 Megapixel an Auflösung dürfen es sein. Im Vergleich zum 5-Megapixel-Modell des Lumia 610 sind die Bilder deutlich farbtreuer und auch die Schärfe (insbesondere im Nahbereich) ist besser. Für den gelegentlichen Schnappschuss zwischendurch reicht aber auch das kleinere Modell. Positiv überrascht hat die Frontkamera des Lumia 900. Beim Großteil der Konkurrenz handelt es sich bei dieser Funktion mehr um eine Verlegenheitslösung. Mit nur 1280 x 720p Auflösung bleibt die Kamera zwar etwa hinter der des Galaxy S2 zurück, die Schärfe ist aber durchaus in Ordnung. Für Videochats lässt sich das Lumia 900 also problemlos nutzen. Mit Tango ist dafür auch gleich eine App vorinstalliert.

Navigation vorinstalliert

(c) Presse Digital (Daniel Breuss)

Stichwort Apps: Beide Geräte kommen mit den hauseigenen Nokia-Anwendungen Karten, Navigation, Musik und Bus&Bahn vorinstalliert. Letzteres ist in Österreich leider nicht mit allen Funktionen verfügbar. So lassen sich etwa in Wien keine genauen Fahrpläne anzeigen.Man erhält aber Informationen, welches Verkehrsmittel man bis wohin nehmen muss und sollte man einen Teil zu Fuß gehen müssen, wird die Strecke auf Wunsch in der Karten-App (Nokias Pendant zu Google Maps) angezeigt. Die brauchbare Navi-App funktioniert auch Offline, was im Ausland sehr angenehm ist und Roaming-Kosten erspart. Das ist zwar ein Pluspunkt, allerdings bei Nokia schon seit Langem üblich.

Fazit

Nokias aktuelles Smartphone-Angebot hinterlässt gemischte Gefühle. Das Lumia 900 bietet nicht iel mehr als das im Oktober vorgestellte Lumia 800 (und geisterte damals schon auf unveröffentlichten Flyern durch die Gegend). Größeres Display und Frontkamera als Abgrenzung zum Rest der Modellpalette sind doch etwas wenig. Und mit dem Lumia 710 gibt es ein Gerät, das im freien Handel günstiger zu haben ist als das Lumia 610 und dabei mehr Leistung bietet. Dafür ist das Design des neuen Einsteigergeräts doch eine Spur ansprechender - ein schwacher Trost, wenn wichtige Apps nicht funktionieren. Zukunftssicherheit sieht anders aus. Wer darauf verzichten kann, erhält aber ein günstiges Smartphone, das hübsch aussieht und gut in der Hand liegt.

Bei aller Kritik: Das Lumia 900 ist ein sehr gutes Smartphone. Wer aber bereits mit einem Lumia 800 geliebäugelt hat und auf die Frontkamera verzichten kann, wäre beim günsteren Modell auch gut aufgehoben. Nokia wird sich noch ein paar Ideen einfallen lassen müssen, um seine Produkte sowohl untereinander besser abzugrenzen, als auch wieder so etwas wie Technologieführerschaft beanspruchen zu können. Denn in diesem Bereich zieht die Konkurrenz derzeit gnadenlos davon.

(db)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.