Neue Überflieger: Drohnen für Wien

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Einmal sollen sie töten, einmal helfen und Waren ausliefern. Drohnen sind bereits weltweit im Einsatz. Auch in Wien arbeitet ein Start-up an der Entwicklung von Lieferdrohnen. Sind uns Science-Fiction-Welten damit schon näher, als wir glauben?

Die Drohne sieht aus wie ein fliegendes X mit vier Propellern. In der Fachsprache heißt das Teil Quadrocopter. Und der fliegt auf einen Swimmingpool zu, in dem ein junger Mann sitzt. In der Greifzange der Drohne hängt eine Dose Bier. Einmal über dem Pool, lässt der Quadrocopter unter dem Jubel der Anwesenden die Bierdose in die Hände des jungen Mannes fallen. „Das Wichtigste haben wir schon geschafft“, sagt Erik Unger mit einem Grinsen, bevor er das Video wieder wegklickt. „Wir können Bier zustellen.“

Erik Unger sitzt in seinem Büro in Wien Meidling, das eher aussieht wie eine Bastlerwerkstatt. Der Boden ist voll mit Modellflugzeugteilen. In den Ecken türmen sich kleine Flieger und auch zwei Hubschrauber sind dabei. Am Boden liegt aber auch Ungers derzeitiges Interessensgebiet: Drei Drohnen Marke Quadrocopter und eine „Blended Wing“-Drohne, die aussieht wie ein Rochen, der fliegen kann. „Mit dieser Form könnten auch Passagierflugzeuge um 20 bis 30 Prozent effizienter fliegen, aber das trauen sich Boeing und Airbus nicht zu entwickeln, weil es so anders aussieht“, sagt Unger.

Erik Unger hat eine Vision. Als Sohn eines Piloten ist er quasi in Fliegern aufgewachsen. Er ist begeisterter Modellflugzeugbastler, Segelfliegerpilot und will einmal ein Flugzeug entwickeln, das ins All fliegen kann. Seit einem Jahr arbeitet er an einem Drohnen-Start-up, dessen Ziel ein neues Transportsystem ist. Mithilfe von Drohnen sollen Dinge von A nach B gebracht werden.

Amazon als Konkurrent. Unger und seine zwei Kollegen Ramin Dalkouhi und Jip van Akker (der eine sitzt in Graz, der andere in den Niederlanden) sind damit auf gleicher Mission wie die großen Internetgiganten Amazon und Google. Beide entwickeln derzeit Roboter-Drohnen zur Paketzustellung, heißt es. Die Vision sei, alles Mögliche innerhalb von ein bis zwei Minuten aus der Luft zu liefern, verkündete der Chef des Forschungslabors Google X, Astro Teller, unlängst.

Unger in seinem kleinen Bastlerbüro will das auch. Also fast. „Die Zustellung an Konsumenten wird das Letzte sein, das entwickelt wird“, sagt er. Denn wie weicht eine Drohne einem Ball spielenden Kind aus? Was passiert, wenn sie in eine Stromleitung gerät? Da müsse viel geklärt werden.

Mit „Space Leap“ verfolgt er daher ein anderes Konzept. Anstatt an Endkonsumenten zu liefern, sollen Drohnen von fixen Start- und Landestationen aus Waren (von zwei bis drei Kilo) von einem Punkt zum anderen fliegen. „Medikamente für Krankenhäuser“, stellt sich Unger vor. Oder Hilfsmittel für Krisengebiete. Die Drohnen würden auf 1000 bis 2000 Meter Höhe fliegen. „Sie können damit auch nicht so einfach vom Himmel geschossen werden“, sagt Unger. Die ersten Prototypen fliegen schon. Ein Quadrocopter, der Flüge innerhalb einer Stadt erledigen könnte. Und die rochenförmige Überlanddrohne für längere Strecken. Zu Weihnachten wollen die drei die erste Testfracht liefern.

Wegbereiter Smartphones. Dass ein kleines Start-up am gleichen Thema wie Großkonzerne arbeiten kann, hat etwas mit Smartphones zu tun. Denn erst für diese wurden Beschleunigungssensoren, GPS und Kompass so klein entwickelt, dass sie jetzt in Drohnen eingesetzt werden können. Die Materialien sind ganz billig in China zu bestellen. „Insofern hat erst die Entwicklung des Smartphones die Drohnenrevolution ausgelöst“, sagt Unger. Und einen Haufen Bastler auf der ganzen Welt angespornt, an Drohnen zu arbeiten.

Denn das Thema ist en vogue. Seit heuer gibt es einige Start-ups in Silicon Valley, die sich damit beschäftigen. „Im Vorjahr hat das noch keinen interessiert“, sagt Unger. Und Österreich hat mit Jänner 2014 als eines der ersten europäischen Länder den Einsatz von „unbemannten Luftfahrzeugen“ gesetzlich geregelt.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind es auch, die dem 38-Jährigen Kopfweh bereiten. „In Europa und den USA ist das autonome Fliegen von Drohnen rechtlich noch gar nicht erlaubt.“ Derzeit müsse permanent Sichtkontakt mit der Drohne gehalten werden – real oder via Kamera, die die Sicht der Drohne wiedergibt. Damit ist aber für jede Drohne ein Mensch notwendig. Bei Ungers System soll ein Mensch den Flug von 200 Drohnen kontrollieren können.

Früher oder später heißt das für Unger, dass er ins Ausland ziehen muss. In die USA, wo im Silicon Valley Investoren sitzen und es bereits Testzonen für Drohnenflüge gibt. Oder in ein Entwicklungsland, wo die Handhabung von Drohnen nicht geregelt ist.

Bis dahin ist es freilich noch ein langer Weg. Noch produzieren er und seine Kollegen die Idee aus eigener Tasche. Erst nach dem ersten geglückten Warentransport will Space Leap auf Investorensuche gehen. Um das voranzutreiben, präsentieren sie ihre Idee auch am Pioneers Festival, Wiens renommierter Start-up-Konferenz. Von 29. bis 30. Oktober werden dort hunderte Start-ups aus der ganzen Welt zusammenkommen – und hochkarätige Speaker wie Cisco Executive Hilton Romanski, der dort über das „Internet of Things“ sprechen wird. Es gibt einen Aerospace-Schwerpunkt und eine Weltpremiere: Ein slowakisches Start-up wird mit dem „Flying Roadster“ ihr fliegendes Auto vorstellen.

Auch Xavier de Le Rue wird auf der Bühne zu sehen sein. Der dreifacher Freeride-Weltmeister auf dem Snowboard hat eine Kamera-Drohne entwickelt, die Sportler das Filmen ihrer Stunts erleichtern soll. Hexo+ sieht aus wie ein Quadrocopter, hat aber sechs Arme. Er soll im Mai 2015 auf den Markt kommen. Schon jetzt hat de Le Rue auf Kickstarter dafür 1,3 Mio. Dollar eingesammelt. Rund 3000 Vorbestellungen gibt es schon.

Die Kamera folgt. Auf die Idee der „Flying Camera“ ist de Le Rue durch seine Sportfilm-Produktionsfirma gekommen. „Filmen mit Drohnen war bisher immer sehr kompliziert, wenn man kein ganzes Team mitgenommen hat“, sagt er im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Seine Drohne kann nun einfach über das Smartphone gesteuert werden. Und: Sie folgt dem User (eigentlich dem Smartphone) auf Schritt und Tritt bis zu einer Geschwindigkeit von 70 km/h. Bis 2015 soll es auch einen Chip geben, den sich der Nutzer einstecken kann. Dann kann die Drohne extern gesteuert werden, fliegt aber dem Sportler nach.

Die Drohne ist dabei immer auf den User gerichtet. Diese Tatsache führt de Le Rue auch an, wenn man ihn nach einem Gerätemissbrauch fragt. Denn so eine Drohne kann auch zum Spionieren verwendet werden. „Das ist aber gesetzlich verboten“, sagt er und es klingt fast ein wenig hilflos. De Le Rue unterstützt strenge Regeln zur Drohnenhandhabung. „Es ist wie mit dem Autofahren. Man braucht einen Führerschein, man muss sich an die Regeln halten und man muss für seine Taten zur Verantwortung gezogen werden können“, sagt er.

Auch Unger ist für klare Gesetze bei Drohnenflügen, sagt aber auch, dass Gesetze im Moment das Einzige seien, das Drohnen im Alltag verhindern würde. Denn die notwendige Technologie dafür, die sei schon längst vorhanden.

unbemannte Flugfahrzeuge

Space Leap. Das Start-up entwickelt ein neues Transportsystem, mit dem Drohnen Waren von A nach B liefern sollen. Zielgruppe sind Businesskunden wie Krankenhäuser. spaceleap.com

Hexo+ ist eine Idee von Snowboardweltmeister Xavier de Le Rue. Er hat eine Kameradrohne entwickelt, die Sportler ihre Stunts leichter aufnehmen lässt. Das Gerät wird im Mai 2015 auf den Markt kommen. www.hexoplus.com

Pioneers Festival. Wiens renommierte Start-up-Konferenz findet heuer am 29. und 30. Oktober statt. Start-ups und namhafte Speaker aus den Bereichen Aerospace, Drones, Internet of Things etc. werden dafür in der Hofburg zusammenkommen. „Die Presse“ ist Kooperationspartner des Festivals. www.pioneers.io

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2014)


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