Evolution: Wenn Orang-Utans einander anlachen

AP
  • Drucken

Die Einfühlung in die Mimik anderer und ihre Rückspiegelung haben nicht erst wir erfunden.

„Vielleicht weiß ich am besten, warum der Mensch allein lacht: Er allein leidet so tief, dass er das Lachen erfinden mußte. Das unglückliche und melancholische Thier ist, wie billig, das heiterste.“ Also notierte – in Fragmenten zu „Menschliches, Allzumenschliches“ – Friedrich Nietzsche, der große Psychologe, der wenigen Vorurteilen aufsaß und auch den Menschen umstandslos zu den Tieren rechnete. Aber einen ganz so offenen Blick wie ein anderer Großer hatte er doch nicht: „Lachen scheint primär der Ausdruck von Vergnügen und Glücklichsein.“

Das notierte Charles Darwin (in „Ausdruck der Gemütsbewegungen bei Menschen und Tieren“), aber selbst die eigene Zunft wollte ihm nicht folgen, noch 1997 lehnte das Journal Nature eine Arbeit des Neurowissenschaftlers Jan Panksepp ab („interessante Idee, begleitet von eher schlechten Experimenten“): Der hatte Ratten gekitzelt, und die waren in hochfrequentes Zwitschern ausgebrochen – 50 Kilohertz –, offensichtlich fühlten sie sich wohl: „Das Zwitschern der Ratten hat mehr als vorübergehende Ähnlichkeit mit dem Lachen von Menschen“, schloss Pansepp. Inzwischen hat niemand mehr Zweifel, dass viele Tiere (beim Gekitzeltwerden) lachen, auch alle unsere Cousins, Schimpansen, Gorillas, Orang-Utans. Sie können es nur nicht so wie wir – mit einem durchgehenden Ha-ha-ha –, weil sie dazu nicht genug Atem haben, erst wir haben mit dem aufrechten Gang die Brust befreit. Sie lachen hingegen mit einem „Ha“ beim Ausatmen und einem beim Einatmen, man kann es auch als „Oh“ deuten.

Damit reagieren sie auch, wenn sie einen Artgenossen lachen sehen, sie können sich in ihn einfühlen und spielen das freundliche Signal umgehend zurück. Eine Gruppe um Marina Davilla Ross (Portsmouth) hat es an jungen Orang-Utans gezeigt (Biology Letters, 12.12.). Damit fällt unser vorletztes Privileg, bleibt das letzte, das verzögerte, absichtliche Zurückspielen, das Robert Provine, erster systematischer Erforscher des Lachens, so umschrieben hat: „Wenn der Chef lacht, dann lachen alle.“

Da lachen ja die Ratten!

Aber das schlicht ansteckende Lachen ist nun mindestens 12 Millionen Jahre alt, damals trennten sich die Orang-Utans von unseren Ahnen. Vielleicht ist es noch viel älter: Wenn die Ratten in ihren 50 Kilohertz zwitschern, dann ist das nicht nur ein (zielloser) Ausdruck des Wohlbefindens. Sondern eine Kommunikation, Markus Wöhr und Rainer Schwartnig (Marburg): Andere Ratten, die dieses Signal hören, werden selbst entspannter und zugleich aktiver – und sie zwitschern es zurück (PLoS ONE, 26.12.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.