Röntgenbild und Blutbefund per Knopfdruck

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Einführung der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) für jeden Österreicher rückt näher. Die Architektur des IT-Großprojekts ist jetzt ausgearbeitet.

Sie sind weiter als wir in Deutschland“, erzählte Sören Bittins vom Fraunhofer-Institut einem zufrieden nickenden Auditorium am Donnerstag der Vorwoche bei einem Kongress in Wien. Die Lorbeeren bezogen sich allerdings nicht auf die Vorbereitung zur Fußball-EM, sondern auf ein etwas ernsteres und vor allem komplexeres Thema: Im Mittelpunkt der Tagung standen E-Health und die Vernetzung elektronischer Krankenakten. Zumindest bei Letzterem hat Österreich die Nase vorn. In Deutschland steht aus Datenschutzgründen derzeit nur der elektronische Austausch von fallbezogenen Krankenakten zur Diskussion. Hierzulande will man bereits ab 2012 Ärzten und Patienten alle relevanten Befunde vom Röntgen- bis zum Blutbild über ein Datennetz jederzeit zugänglich machen.

Architektur für ELGA präsentiert

Auf der Wiener Tagung wurde die Architektur des ELGA genannten IT-Großprojekts präsentiert. Die Befunde werden entgegen ursprünglichen Gerüchten nicht zentral gespeichert. Ein Dokumentenregister soll alle in den elektronischen Archiven von Krankenhäusern, Labors und Ärzten bzw. deren EDV-Dienstleistern befindlichen Gesundheitsakten erfassen. Das Register wird mit einem Patientenindex verbunden sein, der über die Sozialversicherungsnummer eine exakte Identifizierung ermöglicht. Für jene knappen sieben Prozent der Patienten, die von diesem System nicht erfasst sind, sucht man derzeit „eine Lösung mit einer ähnlich hohen Sicherheitsqualität“, so Martin Hurch von der Arbeitsgemeinschaft ELGA. Für Mediziner und anderes Fachpersonal ist ein weiterer Index mit einer genauen Definition ihrer Zugriffsrechte vorgesehen.

Zugriffsrechte noch ungeklärt

Wenn dieses System steht, wird jeder Bürger über ein gesichertes Internetportal seine persönlichen Krankenakten lesen können. Außerdem soll er erkennen, wer Befunde abgerufen hat, und in der Lage sein, Akten zu sperren. Die Details, wer aus dem medizinischen Bereich wann auf welche Dokumente zugreifen darf, sind derzeit noch nicht geklärt. Beim datenschutzrechtlich wünschenswerten Weg, Abrufe nur mit Zustimmung des Patienten zu ermöglichen, stellt sich – so meint man bei ELGA – etwa das Problem des Zugriffs in Notfällen.

Gerald Bachinger, Mediziner und Patientenanwalt, sieht die Sicherheit der persönlichen Daten allerdings nicht als grundlegendes Problem von ELGA: „Wenn das Projekt ordentlich gemacht wird, sollte es ein Mehr an Datenschutz bringen“, meint er. Überlegt wird etwa, unberechtigte Zugriffe strafrechtlich zu verfolgen. Wichtig ist für Bachinger eine breite Diskussion des Themas in der Öffentlichkeit und die Klärung aller offenen Fragen durch die Politik. Auch die Ärztekammer will noch einen umfangreichen Fragenkatalog abgehakt wissen, angefangen von der Haftung bis zur Relevanz und Auswahl der gespeicherten Daten.

Für ausgiebigen Diskussionsstoff ist gesorgt. Einfacher war's da schon, bei der Technologie eine gemeinsame Basis zu finden. Da ELGA langfristig EU-kompatibel sein soll, will man auf internationale Standards setzen. IHE Frame-Work, HL 7 CDA 2.0 als Dokumentenstandard, LOINC für Labordaten oder DICOM 3.0 inklusive WADO für den Bereich Radiologie etwa werden von der Arbeitsgemeinschaft als „Sprachgrundlage“ empfohlen. Bis Ende Juni sollen die Details für diese teilweise neu zu schaffenden Standards ausgearbeitet sein, damit EDV-Investitionen auf ELGA abgestimmt werden können.

Einige Spitäler schon voraus

Die Einbindung vorhandener Systeme sieht Hurch aber nicht als Problem. Und das wäre auch fatal. Eine Reihe von Spitälern hat ihre Krankenakten nämlich bereits elektronisch erfasst. Die SER HealthCare Solutions entwickelte etwa für die burgenländischen Krankanstalten eine Lösung, die neben Posteingängen und Personalakten auch stolze 3,000.000 Seiten Krankengeschichten auf Knopfdruck zur Verfügung stellt. Von der medizinischen Seite über die Betriebswirtschaft bis zur Logistik sowie Administration und Abrechnung werden sämtliche Bereiche abgedeckt. Das spart den Burgenländern Kosten und ermöglicht den Ärzten schnellere und gezieltere Behandlung der Patienten.

Diese beiden Ziele stehen auch im Fokus von ELGA. Ob das Projekt tatsächlich die erhofften Kosteneinsparungen bringt, will das Gesundheitsministerium jetzt mit einer Kosten-Nutzen-Analyse überprüfen. Im Büro von Ministerin Kdolsky sieht man das aber nur als „normalen Prozessschritt“ und zweifelt nicht, dass die Vorteile für Patient und Gesundheitssystem weit größer sind als die Kosten.

PATIENT auf Abruf

Die elektronische Gesundheitsakte ELGA soll alle Befunde eines Patienten wie Arztbriefe, Laborergebnisse oder Röntgenbilder behandelnden Ärzten in Spitälern, Ambulanzen und Privatpraxen auf Abruf zugänglich machen. Dadurch erhofft man sich eine Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten und vor allem auch die Vermeidung von Doppel-gleisigkeiten. Verantwortlich für die Umsetzung des Vorhabens ist die Arbeitsgemeinschaft Elga. Umstritten ist das Projekt vor allem aus datenschutzrechtlicher Sicht. Auch der medizinische Nutzen im Verhältnis zu den Kosten wird von vielen bezweifelt. EU-weit forciert man ähnliche Projekte – mit unterschiedlichem Erfolg. In Großbritannien etwa sind die Kosten für das System explodiert.

www.elga.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2008)

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