Gentests zeigen: Die Bären verschwinden

(c) EPA (Orestis Panagiotou)
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Der alte Ötscherbär und drei aus Slowenien importierte Tiere hatten 31 Nachkommen. Heuer werden aus dem Winterschlaf aber nur mehr vier Bären erwachen.

Zwölf Bären lebten 1999 in den Niederösterreichisch-Steirischen Kalkalpen – Nachkommen des alten Ötscherbären und von drei aus Slowenien importierten Wildfängen. 31 Jungbären wurden seitdem geboren, doch heute leben nur mehr vier Braunbären in ganz Österreich: Ein Weibchen und drei Männchen. Wohin sind die restlichen Tiere verschwunden?

Diese Frage stellen sich die vier österreichischen Bärenanwälte sowie eine Gruppe Wildtierforscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Nicht immer lässt sie sich so eindeutig beantworten wie im Falle jenes Jungbärens, der ausgestopft im Keller eines Jägers gefunden wurde. „Klar ist, dass die 31 Bären nicht alle eines natürlichen Todes gestorben sind. Auch abgewandert sind sie nicht – sonst hätte man auf den Wanderrouten Spuren entdeckt,“ sagt Petra Kaczensky, die am Institut für Wildtierkunde für Großräuber zuständig ist. „Wir haben es hier wohl mit illegalen Abschüssen zu tun. Nachweisen können wir diese leider selten. Einmal hatten wir eine Bärin mit Sender am Halsband, die immer wieder Rapsölkanister aufbrach. Nach einiger Zeit war es aus mit den Schäden – aber auch der Sender war verstummt. Sie ist höchstwahrscheinlich erlegt worden.“

Drei Möglichkeiten gibt es, um den Bären-Bestand zu kontrollieren: Die Auswertung von Bärenmeldungen aus der Bevölkerung, das Verfolgen von Pfotenabdrücken oder Losungen durch die Bärenanwälte oder das genetische Monitoring. „Dazu lassen wir gesammelte Bären-Haare oder Losungen im Labor für Molekulare Systematik am Naturhistorischen Museum Wien analysieren – wir können die Spuren so eindeutig Individuen zuordnen. Außer der Größe oder einem Sender am Halsband gibt es sonst wenige Möglichkeiten, einen Bären zu identifizieren,“ meint Georg Rauer, Bärenanwalt für NÖ und die Steiermark.



„Klar ist, dass die 31 Bären
nicht alle eines natürlichen Todes
gestorben sind.“

Petra Kaczensky, Institut für Wildtierkunde
der Veterinärmedizinischen Universität

Von den Spuren her hat Rauer alle Braunbären im Ötschergebiet gekannt. „Das Genetikprojekt hat uns die Augen dafür geöffnet, dass Bären verschwinden. Und es macht uns klar, dass bei so geringer Population die genetische Diversität abnimmt. Von Generation zu Generation gehen Allele verloren.“

Um die Bärenpopulation in Österreich zu erhalten, müssten Tiere importiert werden, etwa aus Slowenien. „Aus eigener Kraft wird sich unsere Bärenpopulation nicht mehr erholen“, sagt Chris Walzer vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde. Mindestens 50 Bären seien nötig, um eine überlebensfähige Population zu haben, meint Rauer. „Um auch die genetische Vielfalt langfristig sicher zu stellen, müsste darüber hinaus Anschluss an die Bärenpopulation in Slowenien gegeben sein.“

Der Lebensraum ist in Österreich zweifellos für Bären geeignet. Auf 25.000 Quadratmetern wäre Habitat für 500 Bären vorhanden. Und das Gefahr- bzw. Schadenspotenzial, das eine Bärenpopulation mit sich bringen würde, ist gering – wenn es ein wirksames Bärenmanagement und die Bereitschaft der Bevölkerung gibt, sich auf Bären in Wäldern einzustellen. Denn Bären ernähren sich hauptsächlich vegetarisch bzw. von Kadavern, die sie im Frühjahr finden. „Natürlich kommt es hin und wieder vor, dass sie ein Schaf reißen oder einen Bienenstock plündern. Aber das könnte man durch Elektrozäune verhindern. Und gerade im niederösterreichisch-steirischen Grenzgebiet gibt es ohnehin kaum freie Schafhaltung“, sagt Kaczensky.

Der größte Feind der Bären sind die Jäger. Für Raue sind vier Gründe denkbar, wieso Jäger Bären schießen. „Einerseits gibt es viele Bauernjäger, die prinzipiell gegen Bären sind. Dann gibt es Jäger, die einen geschossenen Bären als Trophäe sehen. Hin und wieder werden Bären mit Wildschweinen verwechselt. Wildschweine breiten sich stark in Bärengebieten aus, sie werden bei Nacht gejagt. Da kann so eine Verwechslung passieren – natürlich gibt das aber kein Jäger zu. Und viertens bereiten Bären Jägern manchmal Unannehmlichkeiten.“

„Ansprechen und langsam zurückgehen“

Zu diesen Unannehmlichkeiten gehören aufgebrochene Rapsölkanister (die zum Schmieren von Motorsägen oder Fahrzeugen im Wald lagern), aufgebrochene Reh-Fütterungen oder ein gestörter Kirr-Betrieb. „Kirren bedeutet, dass die Jäger Futter auslegen, um Hirsche in ihr Revier zu locken – an sich eine verbotene Praktik. Bären finden das Futter und fressen es auf. Die Jäger können sich darüber offiziell nicht aufregen, aber es ist ein Konfliktpunkt,“ sagt Rauer. Für die anderen, die „offiziellen“ Schäden gibt es Entschädigungszahlungen. „Jeder Jäger hat eine Pflicht-Haftpflichtversicherung, die auch Bären-Schäden bezahlt.“

Um eine Wiederansiedlung zu ermöglichen, sei es jedenfalls wichtig, ein reibungsloses Zusammenleben zwischen Mensch und Bären zu fördern. „Die Diskussionen um den Problembären Bruno vor zwei Jahren haben schon geholfen, den Bärenschutz ins Gespräch zu bringen. Und den Behörden klarzumachen, dass ein Bärenmanagement nötig ist, um Konflikte zu vermeiden. Außerdem gibt es seitdem einen besseren Austausch im Alpenraum. Bruno kam ja von Italien über Österreich nach Bayern.“

Und was empfiehlt die Wildtierspezialistin Wanderern, die im Wald einem Bären begegnen? „Sie können sich freuen, dass sie so eine Begegnung haben! Wenn man den Bären überrascht, sollte man halt nicht schreiend auf ihn zurennen. Man sollte ihn ansprechen und langsam zurückgehen.“

AUF EINEN BLICK

Der alte Ötscherbär und drei aus Slowenien importierte Tiere hatten 31 Nachkommen. Heuer werden aus dem Winterschlaf aber nur mehr vier Bären erwachen.
Neben dem illegalen Abschuss
ist der Hauptgrund für das erneute Aussterben die fehlende genetische Basis: Laut Experten wären zumindest 50 Bären für eine überlebensfähige Population notwendig. Platz in Österreich wäre für 500 Bären.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2008)

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