Tätowierungen: Autofarbe unter der Haut

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Wiener Forscher ermitteln, ob Tattoo-Farben gesundheitsschädlich oder sogar giftig sind. Neben Titanoxid, Asche oder Eisenoxid enthalten sie bisweilen auch Azo-Farbstoffe

"Steißgeweihe" sind out. Doch über Arbeitsmangel brauchen sich die in den letzten Jahren wie die Schwammerl aus dem Boden geschossenen Tattoo-Studios nicht zu beklagen. Image-mäßig hochgehalten durch zahllose Prominente, die ihre immer phantasievolleren Tätowierungen zur Schau tragen, haben Tattoos unverändert Hochkonjunktur. Vor allem bei jüngeren Menschen. Doch so manchem, der sich nach einem bunten Schmetterling auf der Schulter, einem Drachen auf der Hüfte oder einem Stacheldraht-Kränzchen um die Fesseln herum sehnt, könnte schnell die Lust darauf vergehen – wenn er mehr über die Pigmente wüsste, die ihm mancherorts in die Haut injiziert werden.

Wie Manfred Tacker, Geschäftsführer des Österreichischen Forschungsinstituts für Chemie und Technik (Ofi) erläutert, sind das mitunter Farbstoffe, die für andere Einsatzgebiete entwickelt und produziert werden – etwa für Autolacke oder Schreibtinten. Das Problem dabei sei, dass von Tattoo-Farben nur kleine Mengen benötigt werden und daher kaum jemand extra Tätowierfarben produzieren würde. Und so sind manche Pigmente wahre Gift-Cocktails: Neben Titanoxid, Asche oder Eisenoxid enthalten sie bisweilen auch Azo-Farbstoffe und aromatische Amine sowie Schwermetalle wie Cadmium, Chrom oder Nickel. Also Substanzen, die Krebs-erregend, giftig oder Allergie-auslösend wirken. „Das Problem sind vor allem die färbigen Tattoos“, so Tacker.

Rechtlich kaum geregelt

Dazu kommt noch, dass das Tätowieren rechtlich nur sehr schwach geregelt ist. Ein Beispiel: Während in Gesetzen und Verordnungen genau festgelegt ist, was in Kosmetika – zum Auftragen auf die Haut – enthalten sein darf, so gelten diese Regelungen nicht für das, was in die Haut injiziert wird. Laut einer Studie, die die EU vor einigen Jahren durchgeführt hat, enthält mehr als ein Drittel der von der Branche verwendeten Substanzen Farbmittel, die nicht einmal als Bestandteile für Hautkosmetika zugelassen sind. Ähnliches gilt für Substanzen, die als Lebensmittel-Zusatzstoffe oder in -Verpackungen verboten sind. Trotzdem finden sie ihren Weg in die menschliche Haut.

Es gibt zwar eine europäische Positive-Liste von Farbstoffen, die für Tätowierungen verwendet werden können – doch in manchen Tattoo-Studios werden eben auch andere Pigmente eingesetzt. „Es wird alles mögliche zusammengekauft“, so Tacker. Nicht verhindern können das auch Hinweise von Herstellern zum Beispiele von Tinten, die explizit draufschreiben, dass man sie nicht zum Tätowieren verwenden soll.

Die EU ringt seit längerem um eine bessere Regulierung. Doch die wissenschaftliche Basis dafür ist bislang schwach. Besser soll sie werden durch ein europäisches Forschungsprojekt „Tattoo“ – Gesundheitliche Sicherheit im Zusammenhang mit Tätowierung und Permanent Make-Up“, an dem neben dem Ofi auch deutsche und belgische Institute beteiligt sind. In Wien wird dabei die Analyse der Farbpartikel durchgeführt. Dazu wurde eine Analysemethode namens „Röntgenfluoreszenz-Analyse“ entwickelt, die nun seit Jahresbeginn im Routeneinsatz ist. Dabei werden die Farbstoffe – entweder in flüssiger oder in gepresster Form – in das Analysegerät eingebracht.

30 Elemente simultan gemessen

Ein Roboter-Arm hebt die Proben in den Kern des Gerätes: eine starke Röntgenstrahlen-Quelle. Das Material nimmt die Strahlung auf und reagiert mit der Abgabe von sekundären Röntgenstrahlen – der „Fluoreszenz-Strahlung“. Die Frequenz dieser Strahlung sagt etwas über die Zusammensetzung der Probe aus: Jedes chemische Element emittiert Strahlung einer bestimmten Wellenlänge. Durch deren Messung und Auswertung über ausgefuchste Computer-Systeme kann also ein Rückschluss auf die chemische Zusammensetzung der Probe gezogen werden. Die Röntgenfluoreszenz-Analyse wurde dabei zu einer „Schnellmethode“ entwickelt: Innerhalb von 15 Minuten können mehr als 30 Elemente simultan erfasst werden, erläutert Tacker. Die Genauigkeit der Analyse erreicht fünf ppm (parts per minute) – was einigen Gramm in einem Kubikmeter Wasser entspricht.

Das Tattoo-Projekt geht über die Identifizierung der Pigmente hinaus: Es untersucht auch andere Gefahren, die von Tätowierungen ausgehen können. Etwa mikrobiologische Risiken. Die Farben widersprechen leider allzu oft auch hygienischen Standards und enthalten Viren oder Bakterien – in einer niederländischen Studie waren 18 Prozent der untersuchten Proben verseucht.

Viele Farbenhersteller und Berufsvertretungen – auch die Österreichische Bundesinnung für Kosmetiker – arbeiten an dem Forschungsprojekt mit, erläutert Tacker, Diesen geht es vor allem um zwei Dinge: um eine saubere und klare gesetzliche Regelung sowie darum, „schwarzen Schafen“ das Handwerk legen zu können. Das scheint dringend nötig, denn angesichts der Grauslichkeiten, die immer häufiger in Tattoo-Farben gefunden werden, ist das Image der ganzen Branche akut gefährdet.

PORTRÄT: Ofi

Das Ofi (Österreichisches Forschungsinstitut für Chemie und Technik) bietet Forschungsleistungen für KMU an. Der Branchenmix reicht vom Bauwesen über Kunststoff-Forschung bis hin zur Pharmaindustrie.

Mit 132 Mitarbeitern ist es das größte der 17 Forschungs- und Prüfinstitute, die im Dachverband Austrian Cooperative Research (ACR) vereinigt sind. ACR wird vom Wirtschaftsministerium unterstützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2008)

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