USA: Anti-Darwin im Klassenzimmer

16 Prozent der Biologielehrer sind Kreationisten, 50 Prozent sehen Gottes Hand in der Evolution.

Wie weit die Perspektiven/Befunde der Biologie und ihre gesellschaftliche Wahrnehmung – respektive die Bereitschaft dazu – auseinander driften, zeigt die erste landesweite Umfrage unter Biologielehrern an den öffentlichen Schulen der USA: Jeder sechste deklariert sich als Kreationist, glaubt also, dass Gott die Menschen in ihrer heutigen Form vor nicht länger als 10.000 Jahren erschaffen hat; jeder zweite hält zwar eine Evolution für plausibel, glaubt aber, Gott habe dabei seine Hand mit im Spiel gehabt, das ist die mildere Form des Kreationismus, die sich „intelligent design“ nennt; nur jeder dritte endlich sieht die Evolution so, wie Darwin sie sah.

Michael Berkman (Politologe, Penns) hat die Studie durchgeführt und erhoben, wie viel Zeit die Lehrer – immer die der Biologie – in die Vermittlung der Evolutionstheorie investieren: Im Schnitt keine fünf Stunden; Freunde Darwins gehen bis auf 15 Stunden, Kreationisten kommen mit drei aus. Dabei geht es immerhin um einen Lehrstoff, der für die US-Akademie der Wissenschaften „das zentrale Konzept der Biologie“ ist.

„Affenprozess von Dayton“

Und es geht um einen Lehrstoff, der nach derzeitiger Rechtslage überall in den USA auf dem Lehrplan zu stehen hat, und zwar alleine. Dafür haben Richter wie John Johnes III. gesorgt, die heute anders urteilen als einst ihre Kollegen: 1925 wurde erstmals über Darwin vor Gericht verhandelt, im sog. „Affenprozess von Dayton“. In diesem Ort hatte der Lehrer John Scopes seinen Schülern die Evolutionstheorie nahe bringen wollen, er konnte es nicht lange, er verstieß gegen ein Gesetz von Tennessee: Es war ein Verbrechen, „irgendeine Theorie zu lehren, die die Geschichte der Göttlichen Schöpfung des Menschen, wie sie von der Bibel gelehrt wird, bestreitet, und statt dessen zu lehren, dass der Mensch von einer niederen Ordnung von Tieren abstammt.“ Scopes wurde verurteilt und kam ins Gefängnis.

Seitdem sitzen die US-Lehrer zwischen den Stühlen, immer wieder gibt es Vorstöße, Darwin vom Lehrplan zu nehmen oder ihn um Kreationismus zu ergänzen (in diesem Sinn äußerte sich etwa auch der Wiener Kardinal Christoph Schönborn gegenüber der New York Times). Sie wurden alle abgelehnt, zuletzt einer durch Richter Jones III.: „Atemberaubender Unfug“ sei der Kreationismus.

Allerdings hat er dabei erstaunlich viele US-Bürger gegen sich: 38 Prozent wollen an Schulen keinen Darwin, sondern Kreationismus gelehrt sehen (PLoS Biology, 19.5.). jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2008)

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