Auf dem Weg zur Quantentechnologie

INFORMATION. Quantencomputer könnten im Labor bald Realität werden. Die Forscher wollen aber höher hinaus.

Im Volksmund würde man es Schaltkreis nennen. Der Fachausdruck in der Computerwissenschaft heißt „logisches Gatter“. Gemeint ist in beiden Fällen die einfachste logische Einheit eines Prozessors. Die ersten logischen Gatter waren mit Elektronenröhren realisiert, wie man sie heute noch in manchen Gitarrenverstärkern findet – die Urahnen der heutigen Computer hatten zum Teil Zehntausende davon. Erst mit der Erfindung des Transistors begann die Miniaturisierung und damit der Siegeszug des Computers.

Auch der Weg zu einem Quantencomputer muss über die Entwicklung verlässlicher logischer Gatter führen. Das ist einer der Forschungszweige der Gruppe von Rainer Blatt am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck. Dabei haben die Forscher gerade einen bedeutenden Schritt in Richtung Quantencomputer gemacht: Sie haben ein Quantengatter mit bisher unerreichter Verlässlichkeit entwickelt.

Konservierung von Quantenzuständen

Computer verrechnen sich nicht. Das liegt allerdings nicht daran, dass Transistoren unfehlbar wären. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit liegen auch sie ab und zu daneben. Unsere Computer sind nur deshalb so verlässlich, weil es Methoden gibt, diese Fehler automatisch zu korrigieren. Die einfachste Möglichkeit ist, jede Operation zur Kontrolle doppelt auszuführen. So kann die Fehlerwahrscheinlichkeit beliebig verringert werden – zum Preis des höheren Aufwands. Damit das funktioniert, darf allerdings die Fehlerquote nicht zu groß sein. Quantengatter waren dafür bisher zu unzuverlässig. Blatt und seinen Mitarbeitern ist es nun erstmals gelungen, ein Quantengatter zu realisieren, das eine Fehlerquote von nur 0,7 Prozent aufweist und damit Fehlerkorrektur grundsätzlich ermöglicht.

Das bringt uns nicht nur dem Quantencomputer näher. „Es verändert unser Verständnis der Quantenwelt“, erklärt Blatt. Eines der Grundprinzipien der Quantenmechanik ist, dass jede Messung eines Quantenzustands – zum Beispiel des „Spins“ eines Atoms – eine Störung ist, die den ursprünglichen Zustand vernichtet. Mit Methoden der Fehlerkorrektur lässt sich dieser aber wiederherstellen.

Das ist für Quantengatter nicht so einfach wie für klassische Schaltungen: Quantenzustände lassen sich nicht kopieren, die Gesetze der Quantenmechanik verbieten das. Ein einfaches Wiederholen jeder Operation – mit einer Kopie des Ausgangszustandes – ist damit unmöglich. Deshalb ist die Möglichkeit der Fehlerkorrektur auch etwas Besonderes. „Wir werden in der Lage sein, Quantensprünge rückgängig zu machen!“, freut sich Blatt. Die Forscher arbeiten dabei mit sogenannten Ionenfallen. Sie fangen einzelne Ionen mit Hilfe von elektrischen Feldern ein und kühlen sie. Diese fungieren dann als „Qubits“ (Q-Bits), also quantenmechanische Bits. Die Information kann mit Lasern geschrieben und gelesen werden. Die Ionen lassen sich gut von der Umgebung abschirmen. Das ist wichtig, um die Quanteneffekte nicht zu zerstören, denn jede Wechselwirkung der Ionen mit der Außenwelt ist gleichbedeutend mit einer Messung.

Umso wichtiger ist die Möglichkeit der Fehlerkorrektur, um Quantenzustände möglichst lange am Leben zu erhalten. Das ist nicht nur für Quantencomputer wichtig. Die Forscher sehen nämlich ein breiteres Spektrum an möglichen Anwendungen, wie zum Beispiel noch genauere Atomuhren, die ebenfalls auf langlebige Quantenzustände angewiesen sind. Es entwickelt sich hier ein neues Gebiet, das die Forscher „Quantentechnologie“ taufen.

Schnelleres Rechnen

Allerdings gibt es noch einige Herausforderungen zu meistern. Mit dem nun erreichten Fehlergrad braucht es immerhin 50 Qubits, um einen Quantenzustand dauerhaft am Leben zu erhalten. Das ist für die praktische Umsetzung sehr unrealistisch. Die Forschungen gehen also in Richtung einer effektiveren Fehlerkorrektur, aber auch hin zu Quantengattern von noch höherer Güte.

Wann dürfen wir denn nun damit rechnen, dass erste funktionstüchtige Quantencomputer auf unseren Schreibtischen stehen werden? „20 Jahre wird es schon noch dauern“, meint Blatt – um seine Schätzung gleich wieder zu relativieren: „Es kommt darauf an, was wir von einem Quantencomputer erwarten.“ Die Entwicklung in den letzten Jahren war rasant. Kleine Quantencomputer mit wenigen Qubits, etwa zur Verstärkung für Datenleitungen zur Teleportation von Quantenzuständen (siehe Artikel unten), sind in Kürze zu erwarten. Aber auch Quantenrechner zur wissenschaftlichen Simulation, mit bis zu 20 Qubits, sind nicht mehr so abwegig. Das klingt vielleicht nicht spektakulär, doch schon in einigen Dutzend Qubits lassen sich mehr Daten speichern als im besten klassischen Computer. Der Grund für diese verblüffende Tatsache ist, dass Qubits viel mehr Zustände annehmen können als Bits in herkömmlichen Siliziumchips. Letztere kennen nur die Zustände „null“ und „eins“. Quantencomputer können dadurch in völlig neue Dimensionen der Rechengeschwindigkeit vordringen.

Deshalb steigt auch das weltweite Interesse an der Technologie. Und wann könnte so ein Rechner im Labor Realität werden? „Bald“, sagt Blatt.

EU-Geld für Forschung

Das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) wurde im Jahr 2003 gegründet. Es bündelt die quantenphysikalische Kompetenz, die an den Universitäten Wien und Innsbruck erarbeitet wird.

Den Arbeitsgruppen um Rainer Blatt und Anton Zeilinger wurde nun eine Förderung des Europäischen Forschungsrates (ERC) zugesprochen: Entwickelt werden sollen Ionenfallen, die auf Halbleiter-Chips passen, sowie neue Mikro-Optik-Technologien.

www.iqoqi.atwww.quantum.atwww.quantumoptics.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2008)

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