Archäologie: Der Friede der Toten in Ephesos

(c) Ephesos / APA
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Österreichische Ausgräber um Sabine Ladstätter haben ein Totenhaus mit reichen Grabbeigaben gefunden – und gerettet: Es war Ziel von Grabräubern.

Es war ein Plünderungsversuch wie viele andere: Die Grabräuber kamen in der Nacht mit einem Bagger, sie hatten offenbar einen besonderen Auftrag, vermutlich sollten sie einen Sarkophag holen“, berichtet Martin Steskal vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI, Wien) der „Presse“: „Aber sie haben entweder keinen gefunden oder wurden gestört, so zogen sie wieder ab.“ Stattdessen kam Steskal, der als „Gräber-Feuerwehrmann“ gilt, zur Verstärkung des österreichischen Teams, das in Ephesos gräbt. Gemeinsam legten sie etwas frei, was nicht nur für Grabungsleiterin Sabine Ladstätter „sensationell“ ist: ein Grabhaus mit fünf Gräbern, in dem vom dritten bis zum fünften Jahrhundert 53 Menschen bestattet wurden.

Nun sind Grabhäuser nichts Ungewöhnliches für Ephesos, das damals die Hauptstadt der römischen Provinz Asia war, und auf seinem Höhepunkt im zweiten Jahrhundert 250.000 bis 300.000 Einwohner hatte. Entsprechend viel Platz brauchte es für die Toten, alle Ausfallstraßen waren von Nekropolen gesäumt, eine lag im Westen der Stadt, 80.000 Quadratmeter, kaum erforscht. In dieser Nekropole ist der jetzige Fund der erste, der nicht bei Grabräubern bzw. ihren Auftraggebern verschwand.

Reiche Beigaben für Reiche...

Es ist ein reicher Fund, vor allem die ersten Bestatteten bekamen üppige Beigaben auf ihre Reise mit, 13 Objekte aus Gold hat man gefunden – Ohrringe, Anhänger –, eines ragt hervor: ein massiver Goldring, 22 Gramm, mit einer Gemme, die die Herrin des Ortes zeigt, die Artemis Ephesia. Sie ist nur zwei Millimeter groß und stark stilisiert, aber man erkennt sie, am Kopfaufsatz, an den Armen – rechtwinklig vor dem Körper – und an Schmuckbändern. „Unzweifelhaft war der Träger des Rings ein Verehrer der Stadtgöttin, möglicherweise sogar ein Priester“, vermutet Ladstätter. Sicher aber zeigen diese Funde, dass „die Bestatteten der ephesischen Oberschicht angehörten.“

Die hatte ihre eigenen Götter, vor allem Artemis, nicht die griechische, sondern die ephesische. Sie wohnte im Artemision – einem der sieben Weltwunder –, anders als griechische Tempel lag das nicht in der Stadt, sondern außerhalb, dort bot es Verfolgten Zuflucht, als Erste fanden ihn, dem Gründungsmythos zufolge, die Amazonen. Auch sonst hat diese Artemis wenig mit der griechischen zu tun, sie ist eher eine Variante von asiatischen Muttergöttinnen – wie Kybele –, darauf deuten ihre bekanntesten Darstellungen, große Figuren, die bei Prozessionen herumgetragen und zuvor geschmückt wurden, mit einem Umhang, der als Vielzahl entweder weiblicher Brüste oder Stierhoden gedeutet wird.

Wie auch immer: Die Anbetung der Fruchtbarkeit hatte ein Ende, als ein anderer Gott kam, ein Mann. Vertreten wurde er vom Apostel Paulus, der fand erst wenig Anklang – „Groß ist die Artemis der Epheser“, bekam er zu hören (Apostelgeschichte 19, 34) –, aber er war zäh, lebte fünf Jahre als Missionar in Ephesos, eine Wandmalerei zeugt von ihm, sie wurde im Vorjahr von österreichischen Archäologen wiederentdeckt.

...keine Wegzehrung für Christen

Langsam setzte sich das Christentum durch, unterstützt von einer eigenen Muttergottheit: Maria, die Mutter Jesu, soll aus Ephesos stammen, um sie rankte sich bald ein Kult. Der brauchte – wie das Christentum insgesamt – keine Wegzehrung für das Jenseits, auch keinen Schmuck: Den ersten Bestatteten im Totenhaus wurde viel mitgegeben, auch Kleidung und Gefäße; bei den späteren findet sich fast nichts, nur Öllampen, die wohl bei Gedenkfeiern Licht spendeten. Immerhin, auch sie sind noch mit Ornamenten geschmückt, manche tragen christliche Kreuze, eines einen Davidstern.

Sie alle ruhten in Frieden, übereinander: „Man sieht auf engstem Raum verschiedene Religionen“, berichtet Steskal, „die Vorgänger wurden nie herausgenommen, die Gräber immer weiter besetzt: Es gab keine Scheu, Christen in ein Grab zu legen, in dem schon Heiden lagen.“ Als die Ruhe gestört wurde, haben die Christen oben – mit ihren armseligen Beigaben – offenbar diesmal die Schätze der Heiden darunter geschützt, aber Steskal hat „gestern schon wieder einen Grabraubalarm“ bekommen. Also muss er eilig wieder dahin, wo Ladstätter nicht (nur) Sensationen sucht, sondern in Ruhe gräbt: Auf dem nördlichen Stadtberg Panayirdag hat sie Siedlungsreste einer Vorgängerstadt von etwa 500 bis 300 v.Chr. gefunden, im Westen noch viel ältere aus der Frühgeschichte der Siedlung, dem sechsten bis dritten vorchristlichen Jahrtausend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2008)

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