Glück verbreitet sich wie eine Epidemie

(c) AP (Ronald Zak)
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Lachen steckt an, Gähnen steckt an, auch das Glück steckt an. Das Glücksgefühl ist nicht nur ein individuelles Phänomen, es fließt auch durch soziale Netzwerke.

Aber das Gefühl des Glücks verbreitet sich noch viel weiter: Man wird nicht nur glücklich, wenn ein Freund es gerade ist, man wird es auch, wenn es ein Freund des Freundes ist. „Es läuft wie eine Kettenreaktion durch soziale Netzwerke“, berichtet Soziologe Nicholas Christakis (Harvard), der gemeinsam mit dem Politologen James Fowler (UC San Diego) die Daten von 4739 Personen über zwanzig Jahre hinweg ausgewertet hat. Sie stammen aus der Framington Heart Study, das ist eine breite epidemiologische Studie, die vieles erhebt, unter anderem auch die Gefühlslage, dafür gibt es eine „Depressionsskala“, bei der die Teilnehmer abgefragt werden, ob sie gerade „glücklich“ sind und „hoffnungsfroh“ etc.

Viele Teilnehmer der Studie kennen einander – sie leben alle in Framington, Massachusetts –, diese Verbindung konnten Christakis/Fowler auswerten, um den häufig leer gebrauchten Begriff des „sozialen Netzwerks“ mit Inhalt zu füllen. Das haben sie früher bei anderen Phänomenen schon getan, sie konnten im Vorjahr etwa zeigen, dass die Rede von der „Epidemie der Fettleibigkeit“ keine metaphorische ist: Wer dickleibige Freunde hat, hat ein um 57 Prozent erhöhtes Risiko, selbst Gewicht anzusetzen. (NEJM, 357, S.370) Ein verwunderliches Nebenergebnis war, dass die Ansteckungskraft von Geschwistern geringer war (40%), die von Lebenspartner noch geringer (37%).

Das zeigt sich nun auch beim Glück: Wer einen Freund hat, der gerade glücklich ist, ist im Durchschnitt selbst um neun Prozent glücklicher. Schnürt man diesen Durchschnitt auf, liegt viel an der räumlichen Entfernung: Lebt der Freund in einem Umkreis von 1,6Kilometern, hebt er das Glücksgefühl um 25%, bei engen Nachbarn ist es noch mehr (34%), bei Geschwistern sind es immerhin noch 28%, bei Lebenspartnern nur acht. Aber woher es nun auch immer kommt, es läuft durch das Netzwerk, über drei Entfernungsgrade hinweg – vom Freund des Freundes –, natürlich dünnt es sich aus, im Raum, auch in der Zeit, nach einem Jahr ist es abgeklungen.

Das ist tröstlich, Christakis/Fowler erinnern in den „ziemlich düsteren ökonomischen Zeiten“ daran, dass die neun Prozent Glück – durch einen glücklichen Freund – schwer wiegen: Eine frühere Studie zeigte, dass zusätzliche 5000Dollar das Glücksgefühl nur um zwei Prozent heben. Man muss also nur viele Freunde haben – und die müssen selbst viele Freunde haben –, dann strömt das Glück herbei. Das Unglück natürlich auch, aber dessen Ansteckungseffekt ist geringer. (BMJ, 4.12.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2008)

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