Stunde Null: Wie der Meeresgrund besiedelt wird

Mit Topfwascheln auf Tiefsee Forschung
Mit Topfwascheln auf Tiefsee ForschungUniversität Wien
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Ein Vulkanausbruch unter der Meeresoberfläche ermöglicht Wiener Forscherinnen erstmals, die Besiedelung eines marinen Lebensraums von Stunde Null an zu dokumentieren. Sie benützen "Küchenwaschln".

Mit Topfreinigern erforschen die Meeresbiologinnen Monika Bright und Sabine Gollner von der Universität Wien die Besiedlung von Tiefsee-Lebensräumen. Ein vernichtender Vulkanausbruch entpuppte sich im Nachhinein als einmalige wissenschaftliche Gelegenheit. "Wir haben dadurch zum ersten Mal in der Geschichte der Meeresbiologie die Möglichkeit bekommen, die Besiedlung eines marinen Lebensraums von Stunde Null an zu dokumentieren", sagt Bright.

Ursprünglich hatten die Wissenschafterinnen geplant, die Rolle der Meiofauna im Nahrungsnetz entlang heißer Tiefseequellen und vulkanischer Krater am ostpazifischen Rücken zu studieren. In der Meiofauna leben kleine Organismen wie Fadenwürmer (Nematoda), winzige Ruderfußkrebse (Copepoda) oder Kammerlinge (Foraminifera) am Grunde des Meeres.

Die Meiofauna

Als Meiofauna oder auch Mesofauna bezeichnet man den Anteil am Boden lebenden Organismen, die zwischen 0,30 und ein Millimeter groß sind. In Gewässern wird die Meiofauna von verschiedenen Gliederwürmern, Rädertierchen und ähnlichen Organismen gebildet. Am Land gehören zur Meiofauna Milben und Springschwänze, Bärtierchen, Rädertiere und kleine Borstenwürmer.

Die Bewohner der Meiofauna besiedeln alles, was sich finden lässt. Als künstlichen Ersatz für Riffe, Treibholz und Walknochen nahmen die Biologinnen Topfreiniger zur Hand, die sie an Schnüren mit Bleigewichten im Meer versenkten. "Die Küchenwaschln scheinen unter den Meiofauna-Organismen ebenso beliebt zu sein wie jedes andere feste Material am Meeresgrund", sagt Monika Bright.

Vulkan läutet "Stunde Null" ein

Ein unterseeischer Vulkanausbruch im Jänner 2006 löschte jegliches Leben im Untersuchunsgebiet auf einen Schlag aus und durchkreuzte damit das Forschungsvorhaben. Bright und Gollner nützten die Chance und konzipierten das Projekt kurzerhand um: Sie studieren nun zum erstenmal in der Geschichte den Kolonisierungsprozess der Meiofauna-Gemeinschaft. "Wir untersuchen, wie und in welcher Reihenfolge die Organismen ins jeweilige Habitat gelangen und wie sich die Lebensgemeinschaften im Laufe der Zeit etablieren und verändern", erklärt Bright.

Die Tiefsee gehört nach wie vor zu den am wenigsten dokumentierten Lebensräumen der Welt - die Entwicklung der Meiofauna ist beispielsweise noch völlig unbekannt. Im Untersuchungsgebiet Ostpazifik herrschen zudem extreme Lebensbedingungen vor. Nur wenige, hoch spezialisierte Arten konnten sich im Laufe der Evolution an die hohen Temperatur-, Sulfid- und Sauerstoffschwankungen anpassen. Diese herrschen am Meeresgrund in der Nähe von Quellen, die unter hohem Druck stehen.

(Ag.)

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