Archäologie: Roms späte Rache

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Am Harz hat man Spuren einer Schlacht zwischen Römern und Germanen gefunden, die das bisherige Geschichtsbild gehörig durcheinanderwirft.

Wankt der deutsche Nationalmythos – der vom Endsieg der Germanen über die Römer in der Hermanns- oder auch Varusschlacht im Teutoburger Wald im Jahr neun n.Chr. –, den der „Spiegel“ just diese Woche wieder liebevoll aufpoliert? Darüber will Petra Lönne, Archäologin des Landkreises Northeim in Niedersachsen, nicht spekulieren. Aber was in ihrer Region am Westrand des Harzes gefunden und nun präsentiert wurde, spricht doch sehr dafür: Es sind Spuren einer bisher unbekannten Schlacht zwischen Römern und Germanen, die etwa 200 Jahre nach der vom Teutoburger Wald stattfand, hoch oben in Deutschland, wo schon lange kein Römer mehr hätte sein sollen.

„Die Römer kamen vom Norden und wollten durch das Tal ziehen, in dem heute die Autobahn A7 ist, aber die Germanen hatten das Tal mit einer Barriere versperrt“, berichtet die Forscherin der „Presse“, „also mussten die Römer über einen Höhenzug. Und dort gerieten sie an einer Engstelle in einen Hinterhalt.“ Dabei ging viel verloren, etwa eine stark abgegriffene Münze des Kaisers Commodus, er regierte von 180 bis 192, die Schlacht muss also später gewesen sein, und sie war heftig.

Speerspitzen, Hipposandalen

Trotzdem geriet sie in Vergessenheit, bis diesen Juni ein Amateurarchäologe lange verrostete Waffen im Wald fand. Er trug sie zu Lönne, die organisierte eine verschwiegene Notbergung – „es musste rasch gehen, bevor Fundräuber Wind bekamen“ –, dabei kam viel zusammen: eiserne Speerspitzen, Katapultgeschosse, eine Pionierschaufel und eine „Hipposandale“, das ist ein Hufschutz für Pferde und Maultiere, wie er nur in der römischen Armee verwendet wurde.

Das muss per se nicht heißen, dass in dieser Schlacht wirklich eine römische Armee kämpfte: Viele Germanen dienten als römische Hilfstruppen, sie hatten römische Waffen. Könnten verfeindete Germanen aneinandergeraten sein? Nein, erklärt Lönne, es kamen auch Waffen zum Einsatz, die ausschließlich von Römern verwendet wurden – „Katapultgeschosse und dreiflüglige Pfeilspitzen“ –, und die Schlacht wurde nach römischer Taktik geführt, man sieht es etwa daran, wo Bündel von Pfeilen einschlugen, dort bereiteten die Schützen einen Angriff vor. Die Funde sind so üppig wie bei keinem anderen antiken Schlachtfeld, man kann daraus die ganze Schlacht rekonstruieren.

Und den Sieger: Die Römer gewannen, man sieht es an Sandalennägeln, die sich im Kampf gelockert hatten und beim anschließenden Weitermarsch nach Süden verloren gingen. Aber was wollten sie anno 200 so weit im Norden? Und warum ist diese Schlacht nicht überliefert? Vielleicht ist sie es doch: Der Historiker Herodian berichtet von einem Feldzug, den Kaiser Maximinus Thrax im Jahr 235 weit nach Germanien hineinführte, aus Rache für germanische Vorstöße über den Limes nach Süden. Dabei kam es zu einem großen römischen Sieg, in der „Schlacht am Moor“, von der man nicht weiß – wusste? –, wo sie geschlagen wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2008)

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